Eine neue Technik, mit der man die Gehirnaktivität während der elektrischen Mikrostimulation im Gehirn von Primaten genau aufzeichnen kann, haben jetzt Tübinger Forscher entwickelt. Diese Kombination aus elektrischer Mikrostimulation und funktioneller Magnetresonanztomographie verspricht wesentlich genauere Einblicke in die funktionelle Organisation des Gehirns und seiner Schaltkreise.
In den letzten beiden Jahrhunderten hat man die elektrische Mikrostimulation häufig dazu eingesetzt, um kausale Zusammenhänge zwischen neuralen Aktivitäten und spezifischem Verhalten oder kognitiven Funktionen zu demonstrieren. Auch zur Behandlung schwerer neurologischer Störungen wurde sie mit Erfolg eingesetzt, am bemerkenswertesten bei der Parkinson-Krankheit.
Doch um jene Mechanismen zu verstehen, über welche eine elektrische Mikrostimulation zu Veränderungen im Verhalten und in den kognitiven Funktionen führen kann, ist es unabdingbar, die kortikalen Aktivitätsmuster zu untersuchen und zu charakterisieren, die durch die Stimulation lokal um die Elektrode herum und in anderen funktionell verbundenen Arealen hervorgerufen werden.
BOLD-Signal misst Hirnaktivität
Zu diesem Zweck haben Andreas S. Tolias und Fahad Sultan vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen eine neue Technik entwickelt, die die Gehirnaktivität mit Hilfe des BOLD-Signals (Blood Oxygen Level Dependent Signal) während der elektrischen Mikrostimulation am Primatengehirn aufzeichnet.
Wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Neuron berichten, fanden sie dabei heraus, dass die Ausbreitung der Aktivität um die Elektrode herum in Areal V1 bei Makaken größer ist als man nach Berechnungen erwarten würde, die auf der passiven Ausbreitung von Strom basieren. Die größere Ausdehnung könnte daher eine funktionelle Ausbreitung über horizontale Verbindungen im Gehirn widerspiegeln.
Neue Technik hilft bei der Erforschung des Affenhirns
In Übereinstimmung mit dieser funktionellen transsynaptischen Ausbreitung beobachteten die Forscher auch eine Aktivierung in den erwarteten Projektionsstellen in extrastriären visuellen Arealen, was die Nutzbarkeit der neuen Technik zur Aufdeckung von funktionellen Konnektivitätskarten in vivo demonstriert.
Von der Anwendung der Mikrostimulations-/fMRI-Technik am wachen Tier verspricht man sich viel dafür endlich herauszufinden, welche kausalen Beziehungen zwischen Aktivierungsmustern über verteilte neuronale Schaltkreise und spezifischen Verhaltensweisen zum Beispiel von Affen bestehen. Schließlich könnte sich diese Methode auch als nützlich erweisen für das Verständnis und die Optimierung der Methode der intrakranialen elektrischen Stimulation bei der Behandlung von neurologischen Krankheiten.
(MPG, 22.12.2005 – DLO)