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Paläontologie

Neue Menschenart entdeckt

Rätselhafter Homo luzonensis lebte vor rund 50.000 Jahren auf den Philippinen

Homo luzonensis
Dieser Fußknochen gehört zu einer neuen Menschenart: dem Homo luzonensis. © Callao Cave Archaeology Project

Neues Mitglied in unserem Stammbaum: Forscher haben auf den Philippinen die Knochen einer bisher unbekannten Menschenart entdeckt. Der Homo luzonensis lebte vor mindestens 50.000 Jahren auf der Insel Luzon und besaß offenbar sowohl erstaunlich primitive als auch moderne anatomische Merkmale. An welcher Position im Menschenstammbaum die mysteriöse neue Spezies einzuordnen ist, ist noch völlig unklar – ebenso wie die Frage, wie sie oder ihre Vorfahren einst auf die Insel kamen.

Die Menschheitsgeschichte wird immer komplexer: In den letzten Jahren haben neue Fossilfunde nicht nur den „Zeitplan“ der Verbreitung des Homo sapiens aus Afrika in den Rest der Welt gehörig durcheinander gewirbelt. Zunehmend zeigt sich, dass die Gattung Homo auch außerhalb des afrikanischen Kontinents eine erstaunlich vielfältige Gruppe war. Allein in Asien lebten beispielsweise noch vor rund 50.000 Jahren Menschenarten wie die Denisova und andere Nachkommen des Homo erectus – und die indonesische Insel Flores bevölkerte der „Hobbitmensch“ Homo floresiensis.

Während Forscher noch immer über den Ursprung dieser kleinwüchsigen Menschen rätseln, verkompliziert ein weiterer Fund aus Südostasien nun erneut das Bild: Auf der philippinischen Insel Luzon haben Paläoanthropologen die Fossilien einer neuen, bisher unbekannten Menschenart entdeckt.

Archaisch und modern zugleich

Bereits im Jahr 2007 sorgte der Fund eines einzigen Fußknochens in der dortigen Callao-Höhle für internationales Aufsehen – das auf ein Alter von 67.000 Jahren datierte Fossil musste von einem Menschen stammen. „Zu welcher Spezies, das blieb allerdings unklar“, erklären Florent Détroit vom Musée de l’Homme in Paris und seine Kollegen. Doch in den folgenden Jahren bargen er und sein Team aus denselben Sedimentschichten zwölf weitere hominide Elemente: Hand- und Fußknochen, den Teil eines Oberschenkels sowie Zähne, mit deren Hilfe sie das Rätsel um den Menschen von Luzon lösen konnten.

Callao-Höhle
Blick in die Callao-Höhle auf der philippinischen Insel Luzon - dort wurden die Knochen gefunden. © Callao Cave Archaeology Project

Bei der Analyse der mindestens 50.000 Jahre alten sterblichen Überreste zeichnete sich ab, dass diese zu drei oder mehr unterschiedlichen Individuen gehörten. Die Fossilien bilden dabei ein eigentümliches Mosaik aus primitiven und moderneren Merkmalen, wie das Team berichtet. So weisen Größe und Form der Prämolaren beispielsweise Ähnlichkeiten mit denen von Neandertalern, Homo floresiensis und Homo sapiens auf, gleichzeitig sind jedoch unter anderem an der Zahnkrone auch für den Vormenschen Australopithecus typische Merkmale zu erkennen.

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Hände und Füße wie Australopithecus

Die Molarzähne gleichen morphologisch stark denen des Homo sapiens und der Übergang zwischen Zahnschmelz und Dentin erinnert den Ergebnissen zufolge teils auch an den Homo erectus. Allerdings sind die Zähne sehr klein, was auf eine insgesamt eher geringe Körpergröße des neuen Menschen hindeutet. Bei Hand- und Fußknochen zeigen sich interessanterweise dagegen erneut Parallelen zu Australopithecus, wie die Wissenschaftler feststellten.

„Die Morphologie der Hände und Füße von Australopithecus wird in der Regel als ein Bindeglied zwischen der Morphologie von Menschenaffen und modernen Menschen beschrieben und als Anpassung an den aufrechten Gang auf zwei Beinen, aber auch eine kletternde Fortbewegungsweise interpretiert“, schreiben sie. Aufgrund der nur fragmentarisch erhaltenen Skelette seien jedoch keine genauen Aussagen über die Fortbewegungsweise und Fingerfertigkeit des Menschen von Luzon möglich.

Unklare Position im Stammbaum

Klar ist aber: „Die Menschenfossilien aus der Callao-Höhle zeigen eine Kombination von Merkmalen, die sich von denen bisher bekannter Spezies der Gattung Homo deutlich unterscheidet“, konstatieren die Forscher. Der einzigartige Mix aus vormenschenartigen und modernen, teils Homo sapiens-ähnlichen Eigenschaften spricht demnach dafür, dass es sich um eine ganz neue Spezies handelt: den Homo luzonensis.

Wie diese nach ihrem Fundort benannte neue Art in den Menschenstammbaum passt und wer ihre Vorfahren waren, muss sich in Zukunft erst noch zeigen. Denn DNA, die Aufschluss über die Verwandtschaftsverhältnisse geben könnte, konnten Détroit und sein Team aus den Knochen nicht extrahieren.

Noch ein Inselbewohner

Bisher lässt sich lediglich sagen, dass Homo luzonensis wahrscheinlich ungefähr zeitgleich mit Homo-Arten wie den Denisova-Menschen, Homo sapiens und dem mysteriösen Homo floresiensis in Asien lebte. Die Knochen belegen seine Anwesenheit für die Zeit vor rund 50.000 Jahren. Funde wie Steinwerkzeuge und ein geschlachtetes Nashorn legen jedoch nahe, dass schon vor rund 700.000 Jahren Menschen auf der Insel lebten – möglicherweise der Homo luzonensis, wie die Forscher spekulieren.

Wie die „Hobbitmenschen“ von der Insel Flores bevölkerte Homo luzonensis mit Luzon ein Landstück, das vom Festland abgeschnitten und nur über den Seeweg zu erreichen war. Wie kamen die beiden Menschenarten oder ihre Vorfahren dorthin und in welcher Beziehung standen sie zueinander? „Die Entdeckung von Homo luzonensis unterstreicht erneut die Komplexität der Evolution, Verbreitung und Vielfalt der Gattung Homo außerhalb von Afrika“ betont das Team.

„Komplizierter – und interessanter“

Der neue Fund lässt die Wissenschaft wieder einmal mit mehr Fragen als Antworten zurück: „Mit H. luzonensis gibt es nun eine zweite Spezies, die auf einer abgelegenen asiatischen Insel lebte, als Homo sapiens-Populationen gerade begannen, sich über alle Teile der Welt zu verbreiten“, konstatiert der nicht an der Studie beteiligte Matthew Tocheri von der Lakehead University im kanadischen Thunder Bay.

„Damit lässt sich eines mit Sicherheit feststellen: Unser Bild von der Evolution des Menschen während des Pleistozäns in Asien ist gerade noch unübersichtlicher und komplizierter geworden – und ein ganzes Stück interessanter“, so der Anthropologe. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1067-9)

Quelle: Nature Press

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