Der Arzneistoff Fingolimod zeigt Wirkung bei der Behandlung von Multipler Sklerose. Dies haben jetzt Baseler Forscher anhand von gleich zwei neuen Studien gezeigt. Wie sie in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ berichten, verringert sich bei der Medikamenteneinnahme nicht nur die Schubhäufigkeit, sondern es kommt auch zu einem verzögerten Abbau von Hirngewebe.
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Fingolimod ist ein Arzneistoff zur Therapie von Multipler Sklerose, dessen Wirkung auf einem neuartigen Prinzip beruht: Das als Tablette verabreichte Medikament verhindert, dass potenziell schädliche Immunzellen aus den Lymphknoten in die Blutbahn gelangen.
Dadurch können diese nicht zur Entstehung von Entzündungen im Zentralen Nervensystem beitragen, die für einen Großteil der Krankheitserscheinungen bei Multipler Sklerose verantwortlich gemacht werden. Zudem zeigen Untersuchungen, dass der Arzneistoff auch direkt mit Zellen des Zentralen Nervensystems reagiert, wo er eine schützende Wirkung entfalten und teilweise die Wiederherstellung von Gewebe fördern kann.
Reduzierte Schubhäufigkeit
Die Forscher des Universitätsspitals und der Universität Basel um den Neurologen Professor Ludwig Kappos konnten nun zusammen mit einer internationalen Studiengruppe in einer zweijährigen klinischen Studie mit 1.272 Patienten zeigen, dass sich durch die Therapie mit Fingolimod die Schubhäufigkeit bei Multipler Sklerose um 54 bis 60 Prozent im Vergleich zu Placebogaben vermindert.
Auch eine Verschlechterung der mit der Multiplen Sklerose verbundenen Behinderung konnte mit beiden getesteten Dosierungen von Fingolimod um circa 30 Prozent während der zweijährigen Studie signifikant vermindert werden. Weiter konnten die Forscher mittels Magnetresonanztomographie zeigen, dass sich die Zahl der entzündlichen Herde deutlich verringerte und sich der Abbau von Hirngewebe – Atrophieentwicklung – signifikant verzögerte.
Vergleichbare Nebenwirkungen
Die Häufigkeit der Nebenwirkungen war dagegen nach Angaben der Forscher unter beiden Fingolimod-Dosierungen auf dem gleichen Niveau wie unter Placebo. Die Anzahl schwerer Nebenwirkungen mit der gleich wirksamen, niedrigeren Fingolimod-Dosis war sogar geringer als beim Scheinmedikament.
Im Vergleich dazu ebenfalls nicht generell erhöht waren Nebenwirkungen wie Infektionen und bösartige Tumore, die bei Medikamenten gefürchtet sind, die das Immunsystem beeinflussen. Einige, mit der Wirkungsweise von Fingolimod direkt zusammenhängende Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen nach der ersten Dosis und leicht erhöhte Blutdruckwerte während der Behandlung hatten nur in Einzelfällen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Studienteilnehmer. Ebenso verhielt es sich mit erhöhten Leberwerten, die bei bis zu einem Fünftel der Behandelten festgestellt wurden.
Fingolimod wirksamer als Interferon-Therapie
In einer zweiten, gleichzeitig publizierten Studie mit 1.292 Patienten mit Multipler Sklerose wurde Fingolimod während eines Jahres einer etablierten Therapie mit Beta-Interferonen gegenübergestellt. Auch hier konnten die Forscher zeigen, dass die Häufigkeit von Schüben gegenüber der Interferon-Kontrollgruppe signifikant um 38 bis 52 Prozent nachließ. Zudem verminderten sich die entzündlichen Zeichen und die Entwicklung von Atrophie.
In dieser einjährigen Studie zeigte sich kein Unterschied zwischen den Präparaten hinsichtlich der Verschlechterung der Behinderung. Die Verträglichkeit von Fingolimod war auch im Vergleich mit Interferon insgesamt gut.
Weitere Langzeitstudien sollen nun eine exaktere Einschätzung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dieser neuen, viel versprechenden Behandlungsoption erlauben.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose ist eine meist über mehrere Jahrzehnte dauernde Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die in der Regel im jungen Erwachsenenalter auftritt. Weltweit sind gut zwei Millionen Mensch betroffen. Bei über 80 Prozent verläuft die Krankheit zunächst in Schüben mit neurologischen Störungen, die sich teilweise oder ganz zurückbilden können, und mündet im Lauf der Jahre in eine mehr stetige Progression der Behinderung.
Während die eigentliche Ursache nach wie vor nicht bekannt ist, weiß man, dass eine Überreaktion der körpereigenen Abwehr zur Zerstörung der Nervenumhüllung und der Nervenfortsätze im Zentralen Nervensystem wesentlich beiträgt. Daneben spielen auch nicht direkt mit der Entzündung zusammenhängende Vorgänge eine Rolle.
(idw – Universität Basel, 25.01.2010 – DLO)