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Biologie

Neonicotinoide: Gefahr im Boden

Bodenbewohnende Bienen könnten tödlichen Insektizid-Dosen ausgesetzt sein

Wildbiene
Weibliche Biene der Art Peponapis pruinosa: Diese Insekten bauen ihre Nester im Boden. © University of Guelph

Gefährdete Bodenbewohner: Nicht nur über Nektar und Pollen können sich Bienen mit Neonicotinoiden vergiften. Auch der Kontakt mit kontaminiertem Boden stellt eine Gefahr dar – vor allem für Wildbienen, die ihre Nester im Erdreich bauen. Wie eine Studie aus Kanada nun nahelegt, sind insbesondere die weiblichen Insekten dadurch potenziell tödlichen Dosen von Clothianidin und anderen Neonicotinoiden ausgesetzt. Wie sich dies auf die Populationen auswirkt, ist noch unklar.

Neonicotinoide schaden nicht nur den Schädlingen, die sie bekämpfen sollen, sondern auch Insekten wie Honigbienen. Denn die Bestäuber kommen über kontaminierten Pollen, Nektar und Honigtau ebenfalls in Kontakt mit den giftigen Insektiziden. Doch das ist nicht die einzige Expositionsquelle. Weil Landwirte häufig Samen mit Neonicotinoiden behandeln oder die Gifte nach der Pflanzung direkt auf den Boden sprühen, kann auch das Erdreich belastet sein.

„Bisherige Risikoabschätzungen haben sich vor allem mit dem Einfluss der Insektizide auf Honigbienen beschäftigt – eine Spezies, die selten in Kontakt mit dem Boden kommt“, erklärt Nigel Raine von der University of Guelph in Ontario. „Ein Großteil der Bienenarten verbringt jedoch viel Zeit im Erdreich und baut zum Beispiel ihre Nester darin. Es ist daher wichtig, auch diesen Risikofaktor zu berücksichtigen.“

Bodenkontamination im Fokus

Um mehr über die potenzielle Gefährdung durch Neonicotinoide im Boden herauszufinden, haben sich Raine und seine Kollegen um Erstautorin Susan Chan nun beispielhaft der bodenbewohnenden Spezies Peponapis pruinosa gewidmet. Diese Bienenart ernährt sich hauptsächlich von Nektar und Pollen von Kürbissen (Cucurbita) und die Weibchen konstruieren ihre Nester bevorzugt im Boden von Feldern, auf denen diese Gewächse angebaut werden.

Aus diesem Grund nahmen die Wissenschaftler für ihre Studie Bodenproben von 18 kommerziell genutzten Kürbisfeldern in der kanadischen Provinz Ontario. Diese analysierten sie auf Rückstände gängiger Neonicotinoide wie Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. Außerdem berechneten sie, mit wie viel Bodenmaterial weibliche Bienen realistischerweise in Berührung kommen – entweder durch bloßen Kontakt oder durch die Aufnahme von Erde.

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Tödliche Dosen

Sind die Bienen durch ihr Verhalten in Gefahr? Um dies herauszufinden, verglichen die Forscher die von ihnen gemessenen Konzentrationen mit den bekannten tödlichen Dosen für Honigbienen. Die Ergebnisse offenbarten: Die Wildbienen könnten im Boden tatsächlich gefährlichen Neonicotinoid-Konzentrationen ausgesetzt sein.

So zeigte sich, dass zumindest die im Boden gemessenen Werte von Clothianidin und Imidacloprid so hoch waren, dass sie bei chronischem Kontakt für einen Teil der Population tödlich sind. Das Risiko lag demnach über dem als akzeptabel geltendem Wert von fünf Prozent, bei dem 95 Prozent der Population die Exposition überleben. Unter der konservativen Annahme, dass die Bienen nur 25 Prozent der Insektizid-Rückstände aufnehmen, berechneten Chan und ihr Team für Clothianidin zum Beispiel eine Mortalitätsrate von elf Prozent.

Ein potenzielles Risiko

„Sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid stellen in den Kürbis-Anbauflächen in Ontario ein Risiko dar. Denn sie konnten häufig nachgewiesen werden und der kalkulierte Gefährdungsquotient lag über eins“, berichten die Wissenschaftler. Zur Erklärung: Wird der Gefährdungsquotient mit weniger als eins berechnet, sind durch die Exposition keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten.

Das Neonicotinoid Thiamethoxam schien den Analysen zufolge dagegen ein geringeres Problem zu sein. „Doch das scheinbar niedrige Risiko könnte auch dadurch begründet sein, dass der Stoff die Tendenz hat, im Boden schnell zu Clothianidin abgebaut zu werden“, erklären die Forscher. Weitere Untersuchungen mit Daten von Getreidefeldern zeigten: Dort war das Risiko für bodenbewohnende Bienen durch den Kontakt mit Neonicotinoiden im Boden sogar noch höher.

Weitere Forschung nötig

Damit deuten die Ergebnisse insgesamt daraufhin: Peponapis pruinosa und andere bodenbewohnende Bienen könnten durch ihre Lebensweise zusätzlich in Gefahr sein – vor allem die Weibchen und ihre Larven, die besonders viel Zeit im Boden verbringen. „Weitere Studien müssen nun untersuchen, wie empfindlich diese Bienenarten im Vergleich zur Honigbiene sind. Außerdem gilt es herauszufinden, wie groß der Einfluss auf die Bienenlarven in den Nestern ist“, betonen Chan und ihre Kollegen.

„Bisher wissen wir noch nicht, wie genau sich diese Pestizide auf die Zahl der Bodenbienen auswirken. Denn ihre Populationen werden nicht so stark überwacht wie die der Honigbienen. Angesichts der vielen Wildbienenarten, die im Boden nisten, sind unsere Ergebnisse jedoch besorgniserregend“, so Chans Fazit. (Scientific Reports, 2019; doi: 10.1038/s41598-019-47805-1)

Quelle: University of Guelph

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