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Medizin

Naturstoff aus Bodenbakterien wirkt gegen Krebs

Bisher unbekannter Wirkmechanismus entdeckt

Mithilfe eines zuvor völlig unbekannten Mechanismus zerstört der Naturstoff Argyrin wuchernde Krebszellen. Er blockiert den Abbau eines wichtigen Enzyms, dessen Fehlen das Tumorwachstum fördert. Das entdeckten deutsche Forscher, als sie den von Bodenbakterien erzeugten Stoff auf seine Wirksamkeit testeten.

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Die wirksame Behandlung vieler Krebserkrankungen ist für die Medizin nach wie vor ein großes Problem. Zahlreiche Tumore sprechen auf die gängigen Chemotherapeutika nicht an oder werden gegen die Medikamente resistent. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig sowie der Medizinischen Hochschule (MHH) und der Leibniz-Universität (LUH) in Hannover haben jetzt einen Wirkmechanismus entdeckt, mit dem ein Naturstoff – das Argyrin – Krebswucherungen zerstört. Ihre Erkenntnisse veröffentlichen die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift „CancerCell“.

Mäuse-Beobachtung als Anstoß

Grundlage für diesen wissenschaftlichen Durchbruch war eine Beobachtung des Mediziners Professor Nisar Malek: Er untersucht seit einiger Zeit die Rolle eines speziellen Proteins – eines so genannten Cyclin-Kinase-Hemmers – bei der Krebsentstehung. Dabei hat Malek festgestellt, dass Mäuse, bei denen er durch genetische Veränderung den Abbau des Kinase-Hemmers unterdrückt hat, ein deutlich verringertes Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken. „Ich brauchte also eine Substanz, die den Abbau des von mir untersuchten Proteins in den Krebszellen verhindert“, umreißt Malek seine

Schlussfolgerung: „Dieses Molekül wäre mit großer Wahrscheinlichkeit ein gutes Krebsmedikament.“

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Mit seinen Überlegungen wandte Nisar Malek sich an Ronald Frank, Chemiker am HZI. Frank hatte am HZI große Sammlungen von chemischen Substanzen erstellt, die mit automatisierten Verfahren schnell auf ihre biologische Wirksamkeit gestestet werden können. Für die von Malek untersuchte Problematik verabredeten die beiden, eine spezielle Zellline zu entwickeln, in der die Menge an Kinase- Hemmer durch einfache optische Methoden gemessen werden kann. „Zunächst haben wir diese Zellkultur, in der wir Stoffe daraufhin überprüfen konnten, ob sie den Abbau des Kinase-Hemmers verhindern, an unsere Automaten angepasst“, erklärt Frank. „Mit diesem so genannten Assay haben wir dann zahllose Substanzen getestet.“

Myxobakterien liefern potenzielles Krebsmedikament

Fündig wurden Malek und Frank in einer Stoffsammlung, die ihre Tauglichkeit als Medikament bereits bewiesen hat: Sie speisten Naturstoffe in den biologischen Test ein, die im Boden lebende Mikroorganismen, die Myxobakterien, produziert hatten. Diese hatten sich bereits zuvor als wahre Fundgrube für potenzielle Medikamente erwiesen. „Der myxobakterielle Wirkstoff für unsere Fragestellung ist das Argyrin“, so Frank.

Nach dieser Erkenntnis starteten Roald Frank und Malek zusammen mit dem Chemiker Professor Markus Kalesse von der Leibniz-Universität Hannover ein umfangreiches Forschungsprogramm, um herauszufinden, wie Argyrin chemisch hergestellt werden kann und wie es wirkt. Dabei stießen sie auf einen völlig neuen Mechanismus: „Argyrin blockiert die molekulare Maschinerie der Zelle, mit der sie Proteine abbaut, die nicht mehr benötigt werden“, erklärt Malek, „und damit natürlich auch den Abbau des fraglichen Kinase-Hemmers, dessen Fehlen Krebserkrankungen auslöst.“

Tumor schrumpft um 50 Prozent

An Mäusen hat das Forscherteam die Wirkung des Argyrin bereits im Detail studiert: „Wenn wir krebskranke Tiere mit Argyrin behandeln“, so Malek, „stellt der Tumor das Wachstum ein, er schrumpft um bis zu 50 Prozent und sein Inneres beginnt sich aufzulösen.“ Dabei seien bisher kaum Nebenwirkungen festgestellt worden.

Die in CancerCell publizierten Ergebnisse betrachten die Wissenschaftler zwar als sehr wichtiges Ergebnis, das aber trotzdem nur ein Etappenziel sei: „Die Forschung an Argyrin geht mit Hochdruck weiter“, erklärt Markus Kalesse mit Enthusiasmus: „Wir Chemiker verändern bereits das Argyrin- Molekül in allen möglichen Details und schauen dann, ob sich seine Wirkung noch verbessern lässt. Solch eine optimierte Struktur wollen wir bald in die klinische Prüfung bringen.“

(Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 09.07.2008 – NPO)

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