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Neurobiologie

Narkose blockiert Kommunikation innerhalb des Gehirns

Propofol verhindert Informationsaustausch durch einen erzwungenen synchronen Rhythmus

Selbst in der tiefen Bewusstlosigkeit der Vollnarkose kann unser Gehirn noch Reize von außen aufnehmen. Allerdings werden diese Signale innerhalb des Gehirns nicht mehr weitergegeben, weil die interne Kommunikation durch das Narkosemittel blockiert ist. Das haben deutsche Forscher jetzt herausgefunden. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Narkose das Gehirn völlig gegenüber Außenreizen abschirmt. Doch das sei nicht der Fall: Die Großhirnrinde reagiere selbst im Zustand fortgeschrittener Bewusstlosigkeit noch auf Sinnesreize, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Current Biology“.

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„Das ist vergleichbar mit einer Nachricht, die zwar in der Mailbox ankommt, dort aber feststeckt und nicht weitergeleitet werden kann“, sagt Erstautor Gernot Supp vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er und seine Kollegen hatten untersucht, welche Faktoren die Bewusstlosigkeit bei der Narkose auslösen. Dazu maßen sie die Gehirnaktivität von Probanden, während diese langsam vom wachen Zustand in die Bewusstlosigkeit der Vollnarkose absanken.

Narkosemittel verändert Rhythmus

Bei den Messungen stellten die Forscher fest, dass das Narkosemittel Propofol den Rhythmus verändert, in dem die Zellen der Großhirnrinde – dem Sitz des Bewusstseins – ihre Signale abgeben. Es zwinge eine große Anzahl von Nervenzellen in eine hochgradig synchrone Aktivität, schreiben die Forscher. Dieser extrem synchrone Zustand verhindere, dass Informationen aus den Sinnesarealen an weitere Stationen der Verarbeitung im Gehirn gesendet werden.

Dieser Zusammenbruch der Kommunikation innerhalb der Großhirnrinde sei wahrscheinlich der entscheidende Faktor, der bei der Narkose mit Propofol das Bewusstsein ausschalte, sagen die Wissenschaftler. Sollte sich dies auch für andere Narkosemittel bestätigen, sei man damit der Antwort auf die grundsätzliche Frage danach wie Narkose die Bewusstlosigkeit verursacht, einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

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In sieben Stufen in die Bewusstlosigkeit

Für ihre Studie maßen Supp und seine Kollegen die elektrische Gehirnaktivität verschiedener Hirnareale ihrer Probanden mit Hilfe der Elektroenzephalografie (EEG). Die Versuchsteilnehmererhielten während der Messungen eine steigende Dosis des Narkosemittels Propofol. Dadurch versanken sie kontrolliert in sieben Stufen von der Wachheit in tiefe Bewusstlosigkeit.

„Wir haben, anders als in einer realen Narkosesituation, den Prozess des kontrollierten Bewusstseinsverlustes sehr langsam schrittweise eingeleitet“, sagt Supp. Auf jeder Narkosestufe erhielten die Probanden elektrische Reize am Handgelenk und die Forscher registrierten, ob und wie die Großhirnrinde auf diesen Reiz reagierte.

Wie die Wissenschaftler berichten, zeigten die primären sensorischen Bereiche der Großhirnrinde – die erste Anlaufstelle für Sinnesreize von außen – selbst bei tiefer Bewusstlosigkeit noch eine Reaktion auf die Reize. Dieser Einstrom von Informationen sei folglich nicht blockiert, wohl aber die Weiterleitung der Signale. (Current Biology, 2011)

(Current Biology / dapd, 18.11.2011 – NPO)

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