Die Genome von Mensch oder Maus sind längst sequenziert. Die Funktion der meisten Erbgutbausteine ist jedoch noch unbekannt. Forscher weltweit arbeiten deshalb daran, die Rolle unserer Gene bei Krankheit und Gesundheit aufzuklären. Die Mutation von Genen ist hierbei ein wichtiges Hilfsmittel, denn sie führt zu Funktionsverlusten im Organismus. Wissenschaftler können dadurch erkennen, welche Aufgabe diese Gene normalerweise erfüllen. Die Europäische Union hat jetzt das neue Forschungsprojekt EUCOMM (European Conditional Mouse Mutagenesis Program) gestartet, in dessen Rahmen bis zu 20.000 Mausgene durch Mutationen inaktiviert werden – dies entspricht etwa 70 Prozent des gesamten Mausgenoms.
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Mäuse sind für die Aufklärung von Genfunktionen ideale Modellorganismen, da sich das Erbgut von Mensch und Maus zu etwa 99 Prozent gleicht. Wissenschaftler erwarten daher, durch die Mutation von Mausgenen und die Erstellung von Mausmodellen einen besseren Einblick in die Entstehung unserer Volkskrankheiten zu erhalten.
Das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit spielt bei EUCOMM eine führende Rolle: Professor Wolfgang Wurst, Direktor des GSF- Instituts für Entwicklungsgenetik, ist Koordinator von EUCOMM, für das die EU in ihrem sechsten Forschungsrahmenprogramm insgesamt 13 Millionen Euro zur Verfügung stellt.
„gene trapping“ und „gene targeting“
Im Rahmen von EUCOMM werden die Mausgene durch zwei verschiedene Methoden inaktiviert: Durch konditionales „gene trapping“ und „gene targeting“. Beim „gene trapping“ werden Gene durch zufällig verteilte Mutationen ausgeschaltet, beim „gene targeting“ hingegen gezielt verändert. ‚Konditional‘ bedeutet, dass die Mutationen zu definierten Zeitpunkten und in definierten Geweben erzeugt werden können.
Wurst gehört zu den weltweit führenden Wissenschaftlern auf diesem Gebiet. Im Rahmen von EUCOMM wird seine Arbeitsgruppe mutierte embryonale Mausstammzellen mithilfe beider Mutagenesemethoden erstellen.
Archiv für mutierte Mausstammzellen
Die mutierten embryonalen Mausstammzellen werden in einer Bibliothek archiviert, auf die Wissenschaftler über eine Datenbank weltweit freien Zugriff haben werden. Die archivierten Stammzellen werden erlauben, Mausmutanten in jedem geeigneten Labor kosteneffektiv und standardisiert zu erstellen, so dass die Auswirkungen defekter Gene – insbesondere in Hinblick auf menschliche Krankheiten – direkt am lebenden Organismus untersucht werden können. Auch die Entwicklung neuer Therapien und Medikamente kann so preiswerter und schneller vorangetrieben werden.
Mit EUCOMM fördert die EU die zurzeit weltweit größte Plattform zur Mutagenese des Mausgenoms. Europa ist auf dem Gebiet der funktionellen Mausgenomik weltweit führend und spielt international bei der Erforschung der genetischen Ursachen menschlicher Krankheiten eine tragende Rolle. Ergänzend zu EUCOMM startet ein kanadisches Forschungsprojekt (NorCOMM), und auch die US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) planen ein ähnliches Forschungsprogramm (KOMP).
International arbeiten sowohl die betreffenden Wissenschaftler als auch die verschiedenen Geldgeber eng zusammen, um sich bestmöglich zu ergänzen und Überschneidungen zu vermeiden. Letztlich sollen möglichst alle Gene des Mausgenoms durch Mutationen inaktiviert werden. „Wir planen, dieses ehrgeizige Ziel zusammen mit den Amerikanern innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre zu erreichen“, erklärt Wurst.
(idw – GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, 17.10.2005 – DLO)