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Neurobiologie

Multiple Sklerose: Hirneigene Rezeptoren beteiligt

Toll-like-Rezeptoren bestimmen über Umfang der Krankheitsschübe

Die genaue Ursache der Multiplen Sklerose (MS), einer entzündlichen Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, ist noch immer ungeklärt. Göttinger Wissenschaftler haben nun in einer neuen Studie Indizien dafür gefunden, dass hirneigene Rezeptoren vermutlich eine wichtigere Rolle bei MS spielen als bisher angenommen. Nach Angaben der Forscher könnten die Ergebnisse möglicherweise bei der Suche nach neuen Behandlungsstrategien für MS helfen.

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In Deutschland haben etwa 120.000 Menschen Multiple Sklerose. Die Erkrankung verläuft ganz unterschiedlich, es gibt schubhafte und progressive Verläufe. Dass so genannte Toll-like Rezeptoren (TLRs), die klassische Erkennungsrezeptoren auf vielen Zellen für Bakterien und Viren, beteiligt sind, wenn durch eine Reihe bakterieller und viraler Infektionen neue Krankheitsschübe bei Multiple Sklerose (MS)-Patienten ausgelöst werden – das weiß man schon lange. Bislang nahm man an, dass Viren oder Bakterien bei MS zu einer Überaktivierung der weißen Blutkörperchen (T-Lymphozyten) über TLRs führen, diese verstärkt in das Gehirn einwandern und dort eine gesteigerte Entzündungsreaktion gegen das Marklager auslösen.

Offenbar jedoch spielen die TLRs direkt im Gehirn auch eine wichtige Rolle bei der MS, wenn keine Infektionen vorliegen. Darauf verweisen experimentelle Untersuchungen einer Forschergruppe um die Göttinger Neuropathologen Dr. Marco Prinz und Professor Dr. Wolfgang Brück. Im Tiermodell für Multiple Sklerose haben die Forscher aus Göttingen gemeinsam mit Kollegen aus Zürich und München TLRs im Gehirn von Mäusen gefunden und erstmals deren krankheitsmodulierende Wirkung gezeigt – obwohl keine viralen und bakteriellen Erreger in den durchgeführten Versuchen beteiligt waren. Die Mäuse ohne TLRs erkrankten deutlich weniger und hatten einen besseren klinischen Verlauf.

Neue Erkenntnisse über TLRs

„Die Daten unserer Untersuchung weisen auf eine wichtige Rolle der TLRs während der MS hin. Möglicherweise bestimmen die hirneigenen TLRs bei MS-Patienten, in welchem Umfang Krankheitsschübe ausgelöst werden“, sagt Prinz: „Außerdem legen unsere Versuchsergebnisse nahe, dass TLRs während der MS im Gehirn alternative Bindungspartner besitzen müssen. Diese könnten bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose entweder neu gebildet oder durch die Erkrankung entscheidend verändert werden.“

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Was während der MS an die TLRs binden könnte, wissen die Forscherinnen und Forscher noch nicht. Sie gehen aber davon aus, dass die hirneigenen TLRs eine weitaus größere Rolle für den Verlauf der Multiplen Sklerose haben könnten als bisher angenommen.

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher in den laufenden Kooperationen zwischen den Instituten in Göttingen, München und Zürich die Rolle dieser Rezeptoren bei Multipler Sklerose weiter untersuchen. Beteiligt sind neben Göttinger Forschern Wissenschaftler aus der Klinik für Neurologie/Abteilung Neuroimmunologie des Universitätspitals Zürich sowie vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Technischen Universität München.

(idw – Universität Göttingen, 09.02.2006 – DLO)

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