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Medizin

Multiple Sklerose: Gerinnungsfaktoren als Auslöser?

Forscher entdecken Zusammenhang zwischen Blutgerinnungssystem und Autoimmunerkrankung

Eine demyelinisierte Läsion im Gehirn eines MS-Patienten © Marvin 101/ CC-by-sa 3.0

Missetäter im Blut: Bestimmte Gerinnungsfaktoren spielen offenbar bei der Entstehung der Multiplen Sklerose eine Rolle. Forscher haben erstmals am Menschen nachgewiesen, dass die Konzentration dieser Proteine bei MS-Patienten unnatürlich hoch ist – und möglicherweise den schädlichen Entzündungsprozess vorantreibt. Die Entdeckung bietet nun neue Ansatzmöglichkeiten für Therapien.

Über zwei Millionen Menschen weltweit leiden an Multipler Sklerose (MS). Vor allem junge Erwachsene sind von dieser chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung des Gehirns und Rückenmarks betroffen, bei der das Immunsystem die Myelinhülle der Nerven angreift und Entzündungsherde im Gehirn auslöst. Ist die Erkrankung einmal ausgebrochen, verläuft sie oft in Schüben.

Welche biologischen Prozesse zu einem Ausbruch der Krankheit führen, darüber ist bisher nur wenig bekannt. Mediziner vermuten, dass die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke, aber auch die Darmflora sowie genetische Mutationen eine Rolle spielen. Deutsche Wissenschaftler haben nun einen weiteren möglichen Auslöser entdeckt.

Auffällige Gerinnungsfaktoren

Das Team um Kerstin Göbel von der Universität Münster hatte bereits vor wenigen Monaten an Mäusen nachgewiesen, dass ein bestimmter Gerinnungsfaktor im Blut der Tiere für die Entstehung der Multiplen Sklerose bedeutsam zu sein scheint. Doch gelten diese Zusammenhänge auch beim Menschen? Um das zu untersuchen, verglichen die Mediziner die Konzentration von Gerinnungsfaktoren bei gesunden Probanden und Patienten mit unterschiedlichen Formen der neuroimmunologischen Erkrankung.

Dabei stellte sich heraus: Dort, wo bei MS-Patienten Entzündungsprozesse stattfinden, war der im Maus-Experiment auffällig gewordene Gerinnungsfaktor XII tatsächlich erhöht. Doch nicht nur das: Auch der Spiegel der beiden Gerinnungsfaktoren Prothrombin und FX war im Blut der Betroffenen höher als bei Gesunden.

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Zusammenhang nur bei schubförmigem Verlauf

„Unsere Untersuchung legt nahe, dass Gerinnungsfaktoren die Entzündungsprozesse bei neurologischen Krankheiten maßgeblich vorantreiben“, sagt Göbels Kollege Sven Meuth. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie die entscheidenden Motoren des schädlichen Prozesses, der nach und nach das zentrale Nervensystem der Betroffenen angreift und zerstört“, ergänzt Christoph Kleinschnitz vom Universitätsklinikum Essen.

Allerdings gilt dieser Zusammenhang offenbar nur bei Patienten mit dem typischen schubförmigen Verlauf der Multiplen Sklerose. Bei Betroffenen einer sogenannten primär progredienten MS, die langsam, aber kontinuierlich fortschreitet, waren die Gerinnungsfaktoren im Experiment hingegen unauffällig.

Zielstruktur für Therapien

Trotzdem glauben die Forscher, dass sich die Gerinnungsfaktoren als ideale Angriffspunkte für Therapien eignen könnten. Am Mausmodell haben sie bereits einen Wirkstoff getestet, der den Gerinnungsfaktor XII erfolgreich blockieren kann – in Zukunft wollen sie auch beim Menschen das Potenzial solcher Medikamente erproben. Wie schnell die Entwicklung von hier an weitergehe, sei jedoch schwer vorauszusagen. (Annals of Neurology, 2016; doi: 10.1002/ana.24807)

(Universitätsklinikum Essen, 28.11.2016 – DAL)

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