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Medizin

Molekularer Superkleber stabilisiert Chromosomen

Altern des Klebermoleküls in weiblichen Eizellen erhöht Risiko für Nachwuchs mit Trisomie 21

Menschliche Chromosomen in der Pro-Metaphase der Zellteilung (Mitose). Kohäsin blau gefärbt, Kinetochore grün, Chromosomen rot. © IMP

Fehlerhafte Zellteilungen können Tumore auslösen, zu Fehlgeburten führen oder Chromosomenschäden verursachen. Jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden, wie spezielle Klebermoleküle für den korrekten Ablauf und das präzise Timing bei der Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen sorgen. Das Altern dieses molekularen „Superklebers“ in weiblichen Eizellen ist wahrscheinlich auch für das höhere Risiko für Kinder mit Down-Syndrom bei älteren Müttern verantwortlich.

Die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Trisomie 21 – Down-Syndrom – zu gebären, steigt für Frauen zunächst mäßig, gegen das vierzigste Lebensjahr jedoch zunehmend steiler an. Bei Männern dagegen spielt das väterliche Alter kaum eine Rolle. Ursache dafür ist die unterschiedliche Bildung der Keimzellen bei beiden Geschlechtern. Dieser Vorgang, die Meiose, läuft bei männlichen und weiblichen Individuen unterschiedlich ab. Die erste Phase der Eizellbildung erfolgt bei Mädchen noch vor der Geburt. Doch dann verharren die Chromosomen der weiblichen Keimzellen Jahrzehnte lang in einem Zustand, in dem die Erbsubstanz bereits verdoppelt ist, die beiden Stränge der verdoppelten Chromosomen jedoch noch zusammenhängen.

Protein macht Cohesin zum Superkleber

Der molekulare Klebstoff, der diesen Zusammenhalt bewirkt, wurde vor über zehn Jahren von Forschern am IMP identifiziert und Cohesin getauft. Das Molekül legt sich wie ein Ring um die beiden Chromosomenstränge – die sogenannten Schwesterchromatiden – und hält sie so lange zusammen, bis es enzymatisch gespalten wird. Ein Team von Zellbiologen am Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) um Senior Scientist Jan-Michael Peters konnte nun die molekularen Details aufklären, die den Chromosomenklebstoff zum Superkleber machen.

Die Forscher identifizierten einen Eiweißstoff namens Sororin, der dafür sorgt, dass die Cohesin-Verbindung äußerst stabil und langlebig ist. Wie wichtig die Funktion von Sororin ist, lässt sich auch daraus ableiten, dass das Molekül bereits bei wirbellosen Tieren gefunden wird und sich im Lauf der Evolution kaum verändert hat. Das Wissenschaftsjournal Cell berichtet in seiner aktuelle Ausgabe über die neuen Erkenntnisse.

Ein Molekül muss jahrzehntelang halten

Die „Verstärkung“ der Cohesin-Verbindung durch Sororin könnte auch eine erstaunliche Entdeckung untermauern, die ebenfalls vor kurzem veröffentlicht wurde. Aus Versuchen mit Mäusen zog ein Team der Mount Sinai School of Medicine in New York den Schluss, dass der jahrzehntelange Zusammenhalt der Chromatiden in der Meiose tatsächlich von ein und demselben Molekül aufrecht erhalten wird und nicht etwa kontinuierlich erneuert wird. Vor diesem Hintergrund ist durchaus vorstellbar, dass die Verbindung mit den Jahren instabil wird und sich Chromatiden vorzeitig voneinander lösen, was zu unregelmäßiger Aufteilung des Erbmaterials führen kann.

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„Dass defekte Cohesin-Verbindungen die Ursache der mit dem mütterlichen Alter zunehmenden Chromosomenschäden sind, kann nicht mehr angezweifelt werden“, meint Jan-Michael Peters. „Damit sind aber noch nicht alle Fragen nach den genauen Vorgängen beantwortet. Wir denken, dass wir einen Teil der Erklärung liefern können, doch das Thema Zellteilung wird uns noch lange beschäftigen.“

(IMP – Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie, 25.11.2010 – NPO)

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