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Mikrobiologie

Mikroben: Tarnkappe schützt vor Eliminierung

Forscher decken Überlebenstrick des Bakteriums Staphylococcus aureus auf

Die Mikrobe Staphylococcus aureus ist in Krankenhäusern gefürchtet, weil sie zum Beispiel bei Patienten mit einer offenen Wunde und geschwächtem Immunsystem schwere Infektionen hervorrufen kann. Welchen „Trick“ die gefährlichen Bakterien verwenden, um sich vor einer vollständigen Eliminierung durch Antibiotika zu schützen, haben jetzt Münsteraner Wissenschaftler enthüllt. Ergebnis: Sie nutzen eine Tarnkappe.

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Die Mikroben nehmen dazu laut der neuen Studie in der Fachzeitschrift „EMBO Molecular Medicine“ vorübergehend ein weniger aggressives Erscheinungsbild an und stellen sich in den Zellen ihres Wirts sozusagen schlafend. Auf diese Weise entkommt ein Teil der Staphylococcus aureus-Population sowohl den Attacken des körpereigenen Immunsystems als auch der Vernichtung durch Medikamente. Nach einer gewissen Zeit können sich die verbliebenen Bakterien dann in ihre „Normalform“ zurückverwandeln und die Infektion von neuem entfachen.

Forscher führen Langzeit-Infektionsstudien durch

Viele dienen ihm als „Wirt“, meist aber ohne Folgen: Das Bakterium Staphylococcus aureus, kurz S. aureus, ist einer der am stärksten verbreiteten Krankheitserreger. Bis zu 70 Prozent aller Menschen tragen den Keim auf ihrer Haut, erkranken aber normalerweise nicht. In Krankenhäusern jedoch sorgt er oft für schwere Infektionen. Charakteristisch dabei ist, dass Rückfälle Monate oder auch Jahre nach einer Akutbehandlung und scheinbarer Ausheilung der Krankheit auftreten können.

Das Team um Dr. Bettina Löffler vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Münster führte deshalb Langzeit-Infektionsstudien an Zellkulturen mit S. aureus durch. Ebenso wurden Gewebeproben von Menschen mit subakuten und chronischen Infektionen untersucht. Bakterien, die nach mehreren Wochen aus der Zellkultur gewonnen wurden, wuchsen meist nur als sehr kleine Kolonien auf Agaplatten. Das Auge nimmt sie als Vielzahl sehr kleiner weißer Punkte wahr. Diese Variante nennen die Wissenschaftler „Small Colony Variants“, kurz SCV.

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SCV als „Schläfer“

„Es ist schwierig, die SCV in klinischen Proben zu entdecken, denn sie wachsen sehr langsam. Bei der Diagnostik können sie daher leicht übersehen werden”, erklärt Löffler. Auch das körpereigene Immunsystem erkennt die SCV, die sich in den Wirtszellen als „Schläfer“ eingenistet haben, nicht. Ebenso kommen die bisher eingesetzten Antibiotika an die Bakterien in dieser Form wahrscheinlich nicht heran.

In allen untersuchten Modellen – Zellkultur, menschliche Gewebeproben, Mausmodell – zeigte sich, dass die Bakterien in der Lage waren, mehrere Wochen nach Beginn der Infektion in den Wirtszellen auszuharren. Die Bakterien wurden nach Angaben der Forscher zunehmend zu SCV, konnten jedoch jederzeit zu der voll-aggressiven Normalform zurückkehren.

Mikroben als Überlebenskünstler

„S. aureus sind extrem wandlungsfähige Mikroorganismen. Sie überprüfen ständig ihre Umweltbedingungen und stellen sich darauf ein“, so die Mikrobiologin Löffler. „Nach Abklingen der Erstinfektion kommt es zur Bildung von SCV-Kolonien, die sehr schnell wieder aus ihrem ‚Schlafzustand‘ erwachen und ihre volle Pathogenität entfalten können: Der betroffene Patient erleidet dann einen Rückfall.“

Diese Erkenntnis sei von großer klinischer Bedeutung, betont Löffler: „Künftige Therapien sollten genau auf diese Fähigkeit des ‚Umschaltens‘ der Bakterien abzielen und verhindern, dass sie sich in den Wirtszellen verstecken. So könnten sie sich sowohl der Abwehr durch das körpereigene Immunsystem als auch der Behandlung mit Antibiotika nicht mehr so leicht entziehen.” (EMBO Molecular Medicine, 2011; doi: http://dx.doi.org/10.1002/emmm.201000115)

(Universität Münster, 15.03.2011 – DLO)

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