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Umwelt

Mikrobe als Schadstoff-Fresser

Bodenbakterium baut per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe ab

PFAS-Labortest
Labortests belegen, dass eine Bodenmikrobe langlebige Schadstoffe wie die Perfluoroktansäure (PFOA) abbauen kann. © David Kelly Crow

Mikrobieller Umwelthelfer: Forscher haben eine Bakterienart entdeckt, die eine besonders langlebige Klasse von organischen Schadstoffen abbauen kann – per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Im Experiment hatten die Mikroben schon nach 100 Tagen 60 Prozent dieser fluorhaltigen Kohlenwasserstoffe beseitigt. Damit könnten diese Bakterien zumindest in bestimmten Böden und Abwässern zur Dekontamination beitragen.

Polyfluorierte und perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind weitverbreitet: Sie finden sich in Antihaftbeschichtungen, Outdoorkleidung und vielen weiteren Konsumprodukten. Denn die chemische Struktur dieser fluorierten Kohlenwasserstoffe macht sie wasser- und schmutzabweisend und extrem beständig. Doch vor allem die Perfluoroktansäure (PFOA) und die Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) haben hormonähnliche Wirkungen und gelten als potenziell krebserregend.

Das Problem jedoch: Diese langlebigen Chemikalien sind kaum biologisch abbaubar und bleiben daher Jahrzehnte in Wasser und Böden erhalten. Auch in der Nahrungskette können sich diese fluorierten Schadstoffe anreichern. Forscher haben sie inzwischen sogar schon in der Antarktis nachgewiesen. „Wegen ihrer weiten Verbreitung, Langlebigkeit und der potenziellen toxikologischen Effekte sind PFOA und PFOS eine erhebliche Bedrohung für Umwelt und menschliche Gesundheit“, konstatieren Shan Huang und Peter Jaffe von der Princeton University.

Ein Ammoniumfresser als Abbauhelfer für PFAS?

Doch wie wird man diese Schadstoffe wieder los? Auf der Suche nach einer Lösung haben Huang und Jaffe im Reich der Mikroorganismen nach potenziellen Abbauhelfern gesucht. Denn schon von einigen Bakterien, Pilzen und Archaeen ist bekannt, dass sie unter anderem giftige Schwermetalle aus Böden abbauen können. Die beiden Forscher schauten sich daher ein erst vor kurzem entdecktes Bakterium etwas genauer an.

Die Mikrobe Acidimicrobium bacterium A6 kommt vor allem in sauren und eisenhaltigen Böden vor. Dort kann sie unter anaeroben Bedingungen Rost zu Eisen reduzieren und dabei gleichzeitig Ammonium (NH4+) zu Nitrit oxidieren. Experimente haben jedoch auch schon gezeigt, dass Acidimicrobium dank ihres speziellen Stoffwechselweges auch kurzkettige fluorierte Kohlenwasserstoffe abbauen kann. Könnten diese Mikroben daher vielleicht auch die langkettigeren PFOA und PFOS zerlegen?

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60 Prozent weniger Schadstoffe nach 100 Tagen

An diesem Punkt setzten die Forscher an. Für ihr Experiment gaben sie flüssige Kulturen der A6-Bakterien in Testgefäße, denen sie entweder 0,1 oder 100 Milligramm pro Liter PFOA oder PFOS zusetzten. Als Ersatz für den Elektronenlieferant Eisen diente eine Elektrode. 100 Tage lang wurden alle Bakterienansätze unter Luftabschluss kultiviert, dann analysierten die Wissenschaftler die chemischen Inhaltsstoffe erneut.

Das Ergebnis: Die Bakterien hatten in den 100 Tagen bis zu 60 Prozent des PFOA und PFOS abgebaut, wie die Forscher berichten. Dabei spalteten die Mikroben die Bindungen des Fluors zu den Kohlenwasserstoffen und erzeugten so aus den fluorierten Chemikalien Fluoride, Acetat und andere organische Kohlenwasserstoffe.

Anwendung vor Ort und in Bioreaktoren denkbar

„Diese Resultate zeigen, dass A6 PFOA und PFOs defluorinieren kann“, sagen Huang und Jaffe. Die Bakterien benötigen dafür offenbar nur ein saures Milieu, Eisen und eine eher sauerstoffarme Umgebung. Nach Ansicht der Forscher könnten sich diese Mikroben daher möglicherweise als biologische Helfer gegen die langlebigen Schadstoffe in Böden und Wasser eignen.

„Dies ist erst einmal nur ein genereller Beleg der Machbarkeit“, betont Jaffe. „Wir wollen nun noch die Abbaurate steigern, bevor wir dann erste Feldversuche draußen machen.“ In einigen Feuchtgebieten oder kontaminierten Abwässern könnten die A6-Bakterien schon von Natur aus geeignete Abbaubedingungen vorfinden, wie die Forscher erklären. Zudem könnten kontaminierte Böden später auch in Bioreaktoren mit den mikrobiellen Abbauhelfern behandelt werden. (Environmental Science & Technology¸2019; doi: 10.1021/acs.est.9b04047)

Quelle: American Chemical Society, Princeton University

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