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Biologie

Meereswurm ernährt sich von tödlichen Giften

Bakterien unter der Haut stellen Nährstoffe aus Kohlenmonoxid her

Der Wurm Olavius algarvensis unter dem Lichtmikroskop. Dank seiner Symbionten kann er in den nahrungsarmen sandigen Sedimenten gedeihen. © C. Lott /HYDRA / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen

Ein Meereswurm vor der Wüste Elbas ernährt sich von zwei tödlichen Giften: Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff. Das schafft er nur mit der Hilfe von Bakterien, die unter seiner Haut leben, berichten deutsche Forscher im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ Die Mikroorganismen produzieren aus den Giften Nährstoffe für den Wurm. „Sie sind dabei so effektiv, dass der Wurm im Laufe der Evolution seinen kompletten Verdauungsapparat inklusive Mund und Darm aufgegeben hat“, sagt Studienleiterin Nicole Dubilier vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

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In der Heimat des Wurms gebe es kaum Nährstoffe, schreibt das Forscherteam: Olavius algarvensis lebt im grobkörnigem Sandsediment vor Elba und Italien. Er sei daher darauf angewiesen, jede Energiequelle in seiner Umgebung zu nutzen – auch wenn es sich dabei um chemische Verbindungen handelt, die für andere Lebewesen tödlich seien. Kohlenmonoxid, ein farbloses, geruchloses Gas ist das Produkt unvollständiger Verbrennungen und bindet extrem fest an den Blutfarbstoff, so dass dieser keinen Sauerstoff mehr transportieren kann und das Opfer erstickt. Das Gas Schwefelwasserstoff stinkt hingegen nach faulen Eiern und zersetzt den lebenswichtigen Blutfarbstoff langsam.

Überraschender Fund

Im flachen Wasser vor der Küste Elbas konnten die Taucher den Lebensraum von Olavius algarvensis gut studieren. © C. Lott /HYDRA / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen

Die Forscher vom Max-Planck-Institut haben zusammen mit Kollegenin Greifswald, Freiburg, Italien und den USA im Labor analysiert, welche Eiweiße der Meereswurm herstellen kann. Sie waren nach eigenen Angaben sehr erstaunt, als sie biochemische Werkzeuge für die Verwertung von Kohlenmonoxid fanden, denn sie konnten sich zunächst nicht vorstellen, was der Wurm damit anfangen wollte: Zuvor war nicht bekannt, dass es im Meer vor der Küste Elbas überhaupt Kohlenmonoxid gab.

Manuel Kleiner, Doktorand in der Max-Planck-Arbeitsgruppe sagt: „Also sind wir hingefahren und mussten zu unserer Überraschung feststellen, dass im sandigen Sediment vor der Küste Elbas tatsächlich ungewöhnlich hohe Konzentrationen an Kohlenmonoxid auftreten.“ Olavius algarvensis sei das erste bekannte wirbellose Meerestier, bei dem Kohlenmonoxid eine derart wichtige Rolle für die Ernährung spiele, heißt es in den „Proceedings“.

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Recycling statt Ausscheidung

Mit Kohlenmonoxid und Schwefelwasserstoff alleine gibt sich Olavius algarvensis allerdings nicht zufrieden: Seine Bakterien verwerten auch Wasserstoff für ihn. Außerdem können sie Verbindungen nutzen, die als Abfallprodukte anfallen und von anderen Lebewesen ausgeschieden werden, darunter die Stoffwechselprodukte Acetat und Malat. Diese Verbindungen seien für viele Lebewesen nutzlos, obwohl sie noch viel Energie enthalten, schreiben die Forscher. Bakterien verarbeiten sie für den Wurm aber zu Nährstoffen weiter. „Der Wurm kann deshalb nicht nur auf seinen Verdauungsapparat, sondern auch auf seine Ausscheidungsorgane verzichten“, sagt Dubilier, „was bisher von keinem einzigen anderen Meerestier bekannt ist.“

(doi: 10.1073/pnas.1121198109)

(PNAS / Proceedings of the National Academy of Sciences, 17.04.2012 – BOS)

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