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Biologie

Mausmakis: Nein sagen nicht nötig

Neue Erkenntnisse über die Partnerwahl bei Halbaffen

Mausmaki © Peter Pröpper / Public domain

Die Partnerwahl bei Mausmakis auf Madagaskar ist äußerst ungewöhnlich: Nach einer „wilden“ Nacht mit bis zu sieben Paarungen mit unterschiedlichen Männchen erkennt der Körper der Weibchen, wer der beste Vater für die Kinder ist. Dies haben Forscher in einer neuen Studie herausgefunden, über die sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society of London“ berichten.

Bei den Mausmakis in den Trockenwäldern Westmadagaskars ist jedes Weibchen nur eine einzige Nacht pro Jahr empfänglich. Für die männlichen Mausmakis bedeutet dies eine kampfreiche Zeit. Was dabei passiert, haben Nina Schwensow und Simone Sommer, zwei Forscherinnen des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und ihr Kollege Manfred Eberle, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen dokumentiert.

Bis zu vierzehn Männchen suchen ein einzelnes Weibchen auf, und die Weibchen paaren sich scheinbar wahllos mit bis zu sieben Männchen während der besagten Nacht. Wer aber wird schließlich Vater? Die überraschende Antwort: Es muss körpereigene Mechanismen bei den Weibchen geben, die nach der Paarung beeinflussen, welche Spermien erfolgreich sind. Bei der Wahl der Sexualpartner hatten die Weibchen erstaunlicherweise keinerlei Vorlieben gezeigt. Bei dieser zu den kleinsten Primaten zählenden Halbaffenart sind die Männchen körperlich nicht überlegen und können deshalb für gewöhnlich keine Paarung erzwingen.

„Die Schwangerschaft und das Säugen der Jungen sind sehr anstrengend“, erklären die Biologinnen Schwensow und Sommer vom IZW. „Der Energieaufwand lohnt sich für das Weibchen mehr, wenn die Jungtiere beste Chancen haben, durch eine gute genetische Ausstattung kräftig und gesund zu sein.“

MHC-Gene entscheidend

Unter Wissenschaftlern gilt es als sehr wahrscheinlich, dass Weibchen den Vater ihrer Nachkommen daher sehr sorgfältig auswählen und somit die Überlebenswahrscheinlichkeit ihrer Jungen steigern. Eine besondere Rolle spielen dabei die so genannten MHC-Gene. MHC steht für „Major Histocompatibility Complex“. Die Gene dieser Gruppe sind ein wichtiger Bestandteil des körpereigenen Immunsystems, indem sie Krankheitserreger identifizieren und die Immunreaktion auslösen. Da die MHC Immungen-Austattung eines Artgenossen über den Geruch wahrgenommen werden kann, könnte sie gleichzeitig als Selektionsmerkmal bei der Partnerwahl herangezogen werden.

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Doch so eine Wahl scheint bei den Grauen Mausmakis – Microcebus murinus – nicht stattzufinden, denn die Paarung erfolgt ohne eine nachweisbare Vorauswahl der Geschlechtspartner. In der Nacht des Jahres scheinen die Weibchen also nicht wählerisch zu sein, denn die Forscher stellten keine Unterschiede beim Vergleich der angenommenen und verschmähten Sexualpartner im Hinblick auf die MHC-Gen-Ausstattung und physischer Körpermerkmale fest.

Allerdings: Welcher der Mausmaki-Männchen letzten Endes der Vater der Jungen wurde, stand eindeutig im Zusammenhang mit den Immungenen. „Die Väter hatten deutlich variablere Immungene, als die per Zufallssimulation zugeordneten, potentiell erreichbaren Männchen“, sagt Schwensow. „Darüber hinaus sind die MHC-Gene der Väter auch stark verschieden von der Mutter, dies könnte letztendlich eine optimale Immunkompetenz für den Nachwuchs gewährleisten.“

Kryptische Selektionsmechanismen

Die Auswahl der Partner geschieht für die Maki-Weibchen also erst nach der Paarung über körperinterne Selektionsprozesse. Erstmals konnten durch die Untersuchung der madagassischen Mausmakis diese so genannten kryptischen und erst nach der Paarung stattfindenden Selektionsmechanismen bei wildlebenden Primaten nachgewiesen werden.

Die Gründe für die späte Partnerwahl sind für die Forscher noch rätselhaft. Sie hängen vermutlich aber eng mit dem Ablauf des Paarungsaktes zusammen, da die Mausmaki-Männchen zur Paarungszeit in so großer Überzahl beim empfänglichen Weibchen erscheinen. „Vermutlich ist es für die Weibchen zu kräftezehrend, mehrere Paarungswillige abzuwehren.“, sagt Sommer.

Promiskuität im Zusammenspiel mit einer Nachauslese der Partner scheint also die am besten funktionierende Methode zu sein, die genetische Konstitution des Nachwuchses zu optimieren, so die Wissenschaftler.

(idw – Forschungsverbund Berlin, 20.12.2007 – DLO)

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