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Biologie

Maiszünsler: mutiertes Enzym leitet Artbildung ein

Veränderungen eines Enzyms verändern Sexuallockstoffe und blockieren Kreuzungen zwischen Rassen

Zünsler-Raupe auf einem Maiskolben © Julius-Kühn-Institut / Bernd Hommel

Der Maiszünsler, ein wichtiger landwirtschaftlicher Schädling, kommt in zwei Rassen vor, die sich nicht miteinander kreuzen können. Die Ursache für diese Reproduktionsbarriere haben jetzt Wissenschaftler in „Nature“ aufgedeckt. Demnach verändern Mutationen eines Enzyms die Zusammensetzung der Sexuallockstoffe beider Rassen und machen sie damit für Paarungspartner der jeweils anderen Rasse uninteressant. Diese Erkenntnis ist sowohl für die Biologie der Artbildung als auch für die biologische Schädlingsbekämpfung relevant.

Mit dem Maisanbau kommen auch dessen Schädlinge wieder auf die Felder. Besonders gefürchtet ist der Maiszünsler (Ostrinia nubilalis), der in Form zweier Rassen vorkommt, die als E und Z bezeichnet werden. Während die Z-Form Maispflanzen attackiert, spezialisiert sich die E-Rasse beispielsweise auf Beifußgewächse und ist damit für die Landwirtschaft unschädlich. Zwischen beiden Rassen findet so gut wie keine Paarung mehr statt – der Grund dafür ist ein kleiner chemischer Unterschied der weiblichen Sexuallockstoffe, dem 11-Tetradecenylacetat. Wissenschaftler aus Schweden und dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben nun die Biosynthese dieser Lockstoffe analysiert.

Pheromon-Unterschied verhindert Kreuzung zwischen Rassen

11-Tetradecenylacetat kommt in zwei Formen vor, die mit Z (cis) oder E (trans) bezeichnet werden.

Erste Untersuchungen an Maiszünsler-Weibchen haben ergeben, dass in ihren Pheromondrüsen das E- und Z-Isomer nicht in gleichen Mengen vorlag: Ein Teil der Weibchen gibt 11-Tetradecenylacetat im Verhältnis E 98 : Z 2 ab, der andere Teil hingegen im Verhältnis 3 : 97. Und interessanterweise sind Männchen dazu in der Lage, diesen Unterschied zu riechen: E-Männchen „fliegen“ nur auf E-Weibchen und Z-Männchen nur auf Z-Weibchen, was bedeutet, dass zwischen den beiden Rassen praktisch kein Kreuzen mehr stattfindet. „In der Evolutionsbiologie wird dies als ‚reproduktive Isolationsbarriere‘ bezeichnet, die den Anfang der Entstehung neuer Arten markieren kann“, so Jean-Marc Lassance, Erstautor der Studie.

Fettsäure-Reduktase verantwortlich

„Allerdings sind wir von der Entstehung neuer Arten noch weit entfernt, und dies war ein entscheidender Vorteil für unsere genetischen Analysen“, so die Niederländerin Astrid Groot vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. „Wenn man nämlich im Labor auf engstem Raum Männchen und Weibchen aus verschiedenen Rassen einsperrt, so findet Paarung statt und es werden fruchtbare Nachkommen erzeugt. Dies erlaubt klassische genetische Experimente, zum Beispiel Kreuzung und Rückkreuzung.“

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Mithilfe dieser und weiterer moderner Methoden fanden die Wissenschaftler, dass Mutationen in einem Enzym kodierenden Gen die Aufteilung in die Z- oder E-Rasse verantworten. Es handelt sich um eine Reduktase, die aus einer ungesättigten Fettsäure einen Alkohol erzeugt, der nach Acetylierung das Endprodukt 11-Tetradecenylacetat darstellt. Die Aminosäure-Sequenzen der jeweiligen Reduktasen, isoliert aus der E- bzw. Z-Rasse, sind unterschiedlich; dieser Unterschied, so zeigten auch in vitro Experimente, führt dazu, dass in den Pheromondrüsen der Z-Weibchen die Z-Form des Sexuallockstoffes überwiegt, während in den E-Weibchen vorwiegend die E-Form entsteht.

Auslöser der Aufteilung noch unklar

Eine der Grundlagen für die Entstehung der E- und Z-Rasse ist damit seitens der weiblichen Motten geklärt. Aber was hat dazu geführt, dass die Männchen entsprechende Rezeptoren hervorbringen, die die E- und Z-Pheromone nachweislich perfekt unterscheiden können? Schließlich ist die Lockstoff-Wahrnehmung genauso entscheidend wie die Lockstoff-Abgabe, nur beides zusammen führt zur Paarung und Erzeugung von Nachkommen.

„Hier können wir nur spekulieren. Unsere Vermutung, dass das Gen für die Erzeugung des Lockstoffes bei Weibchen und das Gen für das geruchsgesteuerte Verhalten der Männchen eng aneinander gekoppelt sind, hat sich zerschlagen: Die Gene liegen sogar auf unterschiedlichen Chromosomen, also weit voneinander entfernt. Wir verstehen weder die Ursache noch wie ein Selektionsdruck auf zwei voneinander unabhängige, nicht gekoppelte Gene zur Bildung von zwei Rassen führen konnte“, so der Leiter der Studie, Christer Löfstedt von der Universität Lund in Schweden. Die Forscher analysieren jetzt die Männchen mit denselben genetischen Methoden wie bei den Weibchen, um die verhaltenssteuernden Gene zu studieren.

Pheromonfallen und „Verwirrungsmethode“

Sexuallockstoffe werden auch in der Landwirtschaft zum Pflanzenschutz eingesetzt. Sobald ihre chemische Struktur entschlüsselt ist, können sie künstlich in großen Mengen hergestellt und in Pheromonfallen eingesetzt werden, mithilfe derer ge-, oder besser enttäuschte, Männchen buchstäblich aus dem Verkehr gezogen werden. Auf diese Weise wird zum Beispiel der Befallsdruck des Borkenkäfers in Wäldern minimiert.

Ein andere Methode ist die „Verwirrung“ der Männchen: Künstlich hergestelltes Pheromon wird auf dem Feld gleichmäßig verteilt – mit der Folge, dass die Männchen orientierungslos umherfliegen und Weibchen höchstens zufällig finden. Diese Methode wird beispielsweise im Weinbau zur Bekämpfung des Traubenwicklers erfolgreich eingesetzt. Die beiden Techniken sind aufgrund des Einsatzes der artspezifischen Sexuallockstoffe und weil nur geringe Mengen an Pheromonen eingesetzt werden müssen – die Männchen reagieren bereits auf geringste Konzentrationen in der Luft – besonders umweltverträglich.

(Max-Planck-Gesellschaft, 01.07.2010 – NPO)

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