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Biologie

Luft-Sprünge der Guppys enträtselt

High-Speed-Aufnahmen enthüllen eine ungewöhnliche Sprungtechnik der Aquarienfische

Wilde Guppys © Per Harald Olsen / CC-by-sa 3.0

Warum springen Guppys immer wieder aus dem Aquarium? US-Forscher haben diese Frage mit Hilfe einer High-Speed-Kamera genauer untersucht. Dabei stellten sie Erstaunliches fest: Die Sprungtechnik der Guppys unterscheidet sich von allen bisher bei Fischen bekannten. Sie bereiten den Sprung gezielt vor, indem sie rückwärts schwimmen und so quasi Anlauf nehmen. Und nicht nur das: Auch der Auslöser ihrer Luftsprünge passt in keine der bisherigen Kategorien, wie die Forscherinen im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten.

Springende Fische sind per se nicht ungewöhnlich: Lachse springen bei ihrer Wanderung flussaufwärts, um Hindernisse zu überwinden. Schützenfische wiederum schießen normalerweise ihre Beute – an Land sitzende Insekten – mit einem Wasserschwall ab. Sie können aber bei Bedarf auch aus dem Wasser springen und dann ein Insekt direkt im Flug aufschnappen. Wieder andere Fische katapultieren sich in die Luft, um Räubern zu entgehen, ihr Sprung erfolgt dabei meist instinktiv als Folge einer Schreckreaktion. Dass auch Guppys (Poecilia reticulata) springen, ist nichts Neues.

Sprung in die Teetasse

Wie effektiv sie dabei sind, musste auch Daphne Soares von der University of Maryland feststellen. Die Neurowissenschaftlerin hielt sich die kleinen Fische eigentlich, um bestimmte Strukturen an deren Hirnstamm zu untersuchen. Während eines Projekts sprang ihr dabei ein Guppy aus dem Tank und direkt in ihre Tasse mit Eistee. „Jetzt reichte es mir – ich organisierte eine High-Speed-Kamera und wollte nun genauer wissen, was da vor sich geht“, so die Forscherin.

Für ihre Tests setzte Soares die Guppys jeweils einzeln in ein rechteckiges Plexiglasbecken. Eine Seite des Beckens war durchsichtig und vor dieser war die Kamera aufgebaut, eine weitere Seite war verspiegelt, um den Fisch auch aus einem zweiten Blickwinkel aufnehmen zu können. Nun hieß es warten – allerdings nicht lange. „Die meisten Fische begannen schon nach wenigen Minuten im Tank zu springen“, berichten Soares und ihre Kollegin Hilary Bierman.

Guppy beim Sprung© Soares Lab

Anlauf durch Rückwärtsschwimmen

Die Guppys katapultierten sich dabei ohne ersichtlichen äußeren Grund aus dem Wasser: Sie wurden nicht erschreckt, es gab keine Beute außerhalb des Beckens und die Fische verhielten sich vor dem Sprung auch eher ruhig, wie die Forscherinnen berichten. Auch saisonale Wanderungen wie bei den Lachsen seien von den Guppys nicht bekannt. Was aber war es dann? Möglicherweise brachten die High-Speed-Aufnahmen der Sprünge mehr Aufschluss.

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Tatsächlich zeigten sie ein ungewöhnliches Verhalten der Fische: Unmittelbar vor dem Sprung ruderten diese mit ihren Brustflossen ein Stück zurück – sie nahmen gleichsam Anlauf. „Eine solche Vorbereitungsphase durch Rückwärtsschwimmen ist bisher von keinem anderen springenden Fisch bekannt“, berichten Soares und Bierman. Nach dem Zurücksetzen holt der Guppy dann Schwung, indem er sich immer schneller abwechselnd zu beiden Seiten hin krümmt und so den ganzen Körper als Schubgeber nutzt. Damit erreicht er innerhalb kürzester Zeit Geschwindigkeiten von rund einem Meter pro Sekunde.

Durch einen Schlag mit seinen Brustflossen katapultiert sich der Guppy dann in steilem Winkel aus dem Wasser hinaus. „Die Fische begannen ihren Sprung meist rund eine Körperlänge tief unter Wasser und schossen dann bis zu acht Körperlängen in die Höhe“, schildern die Forscherinnen ihre Beobachtungen.

Kein Reflex, sondern Absicht?

„Weil der Guppy-Sprung langsam mit dem vorbereitenden Rückwärtsschwimmen beginnt und ohne äußere Reize stattfindet, halten wir dies für ein absichtliches Verhalten“, erklären Soares und Bierman. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass es sich um einen Schreckreflex oder ähnliches handele. Möglich wäre aber, dass die Fische diese Sprünge gezielt nutzen, um in ihrem Lebensraum von einem Gewässer zum anderen zu springen. „Das könnte ihnen helfen, beispielsweise Inzucht zu vermeiden oder einer Überbevölkerung auszuweichen“, mutmaßen die Forscherinnen. (PLoS ONE, 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0061617)

(PLoS ONE / University of Maryland, 26.04.2013 – NPO)

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