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Medizin

Ludwig II. war doch nicht schizophren

Märchenkönig litt aber unter Hirnschrumpfung und einer schweren Persönlichkeitsstörung

„Märchenkönig“ Ludwig II. © Carl Theodor von Piloty / copyright expired

Um den „Märchenkönig“ Ludwig II. von Bayern ranken sich nach wie vor zahlreiche Spekulationen. Mehrere Ärzte diagnostizierten nach seinen Tod beispielsweise verschiedene psychische Leiden – darunter besonders häufig die Schizophrenie. Doch weit gefehlt. Laut einer neuen Studie litt Ludwig nicht unter dieser Krankheit, dafür aber an Hirnschrumpfung und einer schweren Persönlichkeitsstörung. Dies berichten Wissenschaftler in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift.

Professor Dr. Hans Förstl von der Klinik für Psychiatrie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität (TU) München, hat in seiner Untersuchung gemeinsam mit Historikern noch einmal bereits verfügbare Quellen und erstmals Dokumente des Geheimen (Wittelsbacher) Hausarchivs ausgewertet.

Ludwig II. von Bayern war kein einfacher Mensch. Er zog sich weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück und zeigte Verhaltensweisen, die seiner Umgebung zunehmend bizarr erschienen. Bernhard von Gudden, der damalige Inhaber des Münchner Psychiatrie-Lehrstuhls, diagnostizierte in seinem Gutachten eine „Paranoia“. Dies entspricht nach heutigen Maßstäben weitgehend einer Schizophrenie, und diese Diagnose lieferte die Rechtfertigung für die Absetzung Ludwigs II. Bei seiner Diagnose konnte sich von Gudden allerdings nur auf Zeugenaussagen und Akten stützen – eine persönliche Untersuchung des Königs war nicht möglich.

Da die damals für das Ferngutachten verwendeten Unterlagen auch heute noch existieren, konnte die Untersuchung der Münchner Forscher von den gleichen Voraussetzungen wie von Gudden ausgehen. Förstl: „Unser Anliegen war es, an die im Gutachten beschriebenen Symptome aktuelle diagnostische Konzepte anzulegen.“ Nach der derzeit gültigen Internationalen Krankheitsklassifikation (ICD-10) erfüllt Ludwig mit den im Aktenmaterial dokumentierten Symptomen Kriterien einer schizotypen Störung. Diese Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch dauerhafte Defizite im zwischenmenschlichen Bereich aus und zusätzlich Misstrauen, Grübeln, exzentrische Ideen und absonderliches Verhalten.

Schrumpfung des Frontalhirns offen gelegt

Im Unterschied zur Schizophrenie schreitet sie nach Angaben der Mediziner jedoch nicht prozesshaft fort und führt zu keinen schwerwiegenden intellektuellen Veränderungen. Heute stehen zur Behandlung der Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis effektive pharmakologische und rehabilitative Interventionen zur Verfügung.

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Die historischen Quellen legen noch eine weitere Vermutung nahe. Bei der Autopsie Ludwigs im Jahr 1886 wurde eine deutliche Schrumpfung des Frontalhirns festgestellt. Förstl erläutert: „Betroffene zeigen häufig einen Persönlichkeitswandel mit Verlust von Selbstkritik und Einsicht, geistige Rigidität und ungebremste Impulsivität, aber auch emotionale Abstumpfung und Rückzug.“ Diese Erkrankung könnte jedoch nicht die über mehr als 20 Jahre bestehenden Verhaltensauffälligkeiten Ludwigs erklären, sondern nur eine zusätzliche Akzentuierung in den letzten Lebensjahren.

(idw – Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, 15.10.2007 – DLO)

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