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Genetik

Linkshänder: Das Rückenmark entscheidet

Einflüsse im Mutterleib könnten die Händigkeit prägen

Ob man Rechts- oder Linkshänder wird, entscheidet sich im Mutterleib - und im Rückemkar statt im Gehirn © pixabay

Überraschender Fund: Ob wir Rechtshänder oder Linkshänder werden, entscheidet unser Rückenmark – und das schon im Mutterleib. Denn wie eine Studie enthüllt, ist schon in der achten Schwangerschaftswoche die Genaktivität im Rückenmark von ungeborenen asymmetrisch. Spannend auch: Verantwortlich dafür sind nicht etwa die Gene selbst, sondern vor allem epigenetische Anlagerungen am Erbgut – und die werden von der Umwelt beeinflusst.

Zehn bis 15 Prozent aller Menschen sind Linkshänder: Sie nutzen bevorzugt die linke Hand und den linken Fuß für einseitige Aktivitäten – und dies von Anfang an. Ultraschallbilder zeigen, dass schon Kinder im Mutterleib ab der 13. Schwangerschaftswoche bevorzugt am rechten oder linken Daumen nuckeln. Aber warum?

Rästelhafte Asymmetrie

Klar schien bisher, dass die Asymmetrie unserer Hirnhälften dafür eine Rolle spielen muss. Denn unsere Arm- oder Handbewegungen werden über den motorischen Cortex im Gehirn kontrolliert. Er schickt ein entsprechendes Signal an das Rückenmark, das den Befehl in eine Bewegung umsetzt. Die linke Hirnhälfte steuert dabei die rechte Körperseite und umgekehrt.

Seltsamerweise aber ist das Gehirn von Linkshändern häufig kaum anders strukturiert als bei Rechtshändern. So liegen beispielsweise die Sprachzentren nur bei rund einem Drittel der Linkshänder auf der „falschen“ Seite. Und auch in puncto Aktivität verhält sich das Linkshändergehirn keineswegs spiegelverkehrt zu dem der Rechtshänder, wie Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum erklärt.

Rechts-Links im Mutterleib

Auf der Suche nach den Ursachen der Linkshändigkeit sind Güntürkün und seine Kollegen zurück zu den Anfängen gegangen – in den Mutterleib. Für ihre Studie analysierten sie die Genexpression im Rückenmark von ungeborenen Kindern während der achten bis zwölften Schwangerschaftswoche. Während dieser Zeit ist die motorische Großhirnrinde noch nicht mit dem Rückenmark verbunden, die Bewegungen der Kinder gehen daher nur vom Rückenmark aus.

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Schon ab der 8. Woche ist beim Fötus eine asymmetrische Genexpression im Rückenmark nachweisbar. © Anna Omelchenko/ iStock.com

Das überraschende Ergebnis: Obwohl das Gehirn noch gar nicht „mitspielt“, gibt es schon in dieser frühen Phase eine erste Rechts-links-Präferenz bei den Ungeborenen. Genau in den Rückenmarks-Segmenten, die Bewegungen der Arme und Beine steuern, entdeckten die Forscher Unterschiede in der Genexpression: Sie war je nach späterer Händigkeit entweder rechts oder links ein wenig stärker.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Asymmetrien in der Genaktivität des Rückenmarks für die Entstehung der Händigkeit entscheidend sein könnten“, sagen die Forscher. Diese prägenden Unterschiede sind dabei in der achten Woche mit rund vier Prozent am stärksten, wie sie feststellten. Bis zu zwölften Woche gleicht sich die Genaktivität beider Rückenmarksseiten wieder an – bis dahin sind die entscheidenden Prägungen offenbar abgeschlossen.

Umwelt statt Gene als Ursache?

Spannend auch: Die Ursache für die asymmetrische Genaktivität sind nicht die Gene selbst, sondern epigenetische Faktoren, wie die Forscher herausfanden. Dabei beeinflussen verschieden starke Anlagerungen von Methylgruppen an der DNA, welche Gene abgelesen werden. Zum andern werden auf den beiden Rückenmarksseiten der Kinder unterschiedlich viele Mikro-RNAs produziert – RNA-Schnipsel, die ebenfalls die Genaktivität regulieren.

Der Clou daran: Im Gegensatz zu den Genen sind epigenetische Faktoren stark von der Umwelt beeinflusst. Dies könnte bedeuten, dass die Linkshändigkeit stärker als bisher angenommen durch Umwelteinflüsse in der Frühperiode der Schwangerschaft geprägt wird. Das würde gut zu der Beobachtung früherer Studien passen, nach denen im Winter mehr Linkshänder geboren werden.

„Im Gegensatz zu bisherigen Modellen einer primär genetischen Ursache der Händigkeit sprechen unsere Ergebnisse dafür, dass mehr als 75 Prozent der Varianz in der Händigkeitsdaten durch Umwelteinflüsse erklärt werden könnte“, sagen die Forscher. (eLife, 2017; doi: 10.7554/eLife.22784)

(Ruhr-Universität Bochum, 20.02.2017 – NPO)

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