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Neurobiologie

Leseschwäche: Gehirn verpasst Spezialisierung

Gehirn von Kindern mit Dyslexie passt sich nicht an Schrifterkennung an

Am Anfang des Lesenlernens muss sich das Gehirn auf die Erkennung von Schrift spezialisieren – und dies möglichst schnell. Bleibt dies aus, ist eine Dyslexie, eine Leseschwäche, die Folge. Dass diese tatsächlich durch eine fehlende Spezialisierung des Gehirns ausgelöst wird, haben jetzt Schweizer Forscher herausgefunden. Die Studie ist in der Zeitschrift „Brain“ veröffentlicht worden.

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Wenn Kinder lesen lernen, spezialisiert sich ein besonders plastischer Teil des Sehhirns auf Schrift, damit Buchstaben von anderen Zeichen unterschieden werden können. Die spezialisierte Verarbeitung von Schriftzeichen erfolgt im Gehirn sehr schnell – innerhalb von 200 Millisekungen – und vermutlich unbewusst. Sie ist bei Erwachsenen mit Leseschwäche oder Legasthenie vermindert. Es war bislang aber unklar, ob die verminderte Spezialisierung eine Folge des langjährigen Umgangs mit Leseschwäche ist, oder ob sie schon am Anfang beim Entstehen der Leseschwäche in der Schule eine Rolle spielt.

Urs Maurer und Professor Daniel Brandeis vom Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich untersuchten daher mit ihrem Team, wie sich diese Spezialisierung vom Kindergarten bis zur 2. Klasse mit dem normalen Lesenlernen entwickelt, und wie Kinder mit Dyslexie dabei abweichen. Um die Spezialisierung auf Schrift zu messen, führten sie Hirnstrommessungen (EEG) durch, während die Kinder Wörter und unvertraute Symbole sahen. Als Aufgabe sollten die Kinder unmittelbare Wiederholungen erkennen, was auch schon vor dem Lesenlernen klappt.

Spezialisierung zu schwach ausgeprägt

Die Forscher konnten zeigen, dass die Spezialisierung auf Schrift im Sehhirn von Kindern, die normal lesen lernten, im Kindergarten noch nicht vorhanden war. Sie entwickelte sich aber mit dem normalen Lesenlernen bis in die 2. Klasse stark. Bei Kindern, die eine Dyslexie entwickelten, blieb diese Spezialisierung hingegen schwach. Je flüssiger ein Kind lesen konnte, desto besser war sein Gehirn in der 2. Klasse an die Schrifterkennung angepasst.

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Die Ergebnisse zeigen, dass bei einer Dyslexie eine verminderte Spezialisierung auf Schrift bereits am Anfang des Lesenlernens eine wichtige Rolle spielt. Die Spezialisierung des Gehirns entsteht also nicht erst durch Üben beim Lesenlernen und durch jahrelange Leseerfahrung. Mit weiterer Forschung wollen Brandeis und sein Team nun zeigen, ob gezielte frühe Trainingsprogramme für Dyslexie diese Spezialisierung beeinflussen können.

(Universität Zürich, 03.09.2007 – NPO)

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