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Medizin

Lebenserwartung knackt bald 90 Jahre-Marke

Menschen in Industrienationen leben immer länger

Die Menschen werden immer älter - und überschreiten dabei einst als unerreichbar geltende Grenzen. © Photodjo/ iStock.com

Was Forscher lange für unmöglich hielten, ist nun bald erreicht: Unsere durchschnittliche Lebenserwartung steigt auf über 90 Jahre. Eine Prognose zeigt, dass Frauen in Südkorea diese Marke als erstes knacken werden. Sie werden bereits 2030 im Schnitt älter als 90. Doch auch in anderen Industrienationen leben die Menschen immer länger. Innerhalb Europas führen französische Frauen und Schweizer Männer das Ranking im Jahr 2030 an. Die USA könnten dann hingegen das Schlusslicht in Sachen Lebenserwartung bilden.

Noch im Jahr 1928 postulierte der amerikanische Statistiker Louis Dublin eine maximale menschliche Lebenserwartung von 65 Jahren. Diese Schwelle hat die Menschheit in vielen Ländern längst überschritten. Seit dem 20. Jahrhundert steigt unsere durchschnittliche Lebenserwartung nahezu kontinuierlich. Dank mehr und besserer Nahrung, der Entwicklung von Antibiotika und weniger körperlich schwerer Arbeit durch moderne Technik werden wir immer älter.

Südkoreaner leben am längsten

Auch in Zukunft wird unsere Lebenserwartung weiter steigen. Das belegen nun Prognosen von Wissenschaftlern um Vasilis Kontis vom Imperial College London. Das Team hat für 35 Industrienationen berechnet, welches Alter die Bewohner dort im Jahr 2030 im Schnitt erreichen. Dazu nutzten sie eine Methode, die 21 unterschiedliche Vorhersagemodelle miteinander kombiniert und deshalb besonders sicher ist.

Das Ergebnis: In allen betrachteten Ländern wird die Lebenserwartung im Laufe der kommenden dreizehn Jahre zunehmen – wie stark, das variiert jedoch von Nation zu Nation. Platz Eins in der Statistik belegt Südkorea. Das Land könnte 2030 die insgesamt höchste Lebenserwartung der Welt aufweisen, so die Forscher. Wer dann dort geboren wird, wird als Mann wahrscheinlich durchschnittlich 84,1 Jahre alt und als Frau sogar 90,8 Jahre – ein Wert, der lange Zeit als unerreichbar galt.

Ganz schön alt? In allen betrachteten Ländern wird die Lebenserwartung bis 2030 steigen. © Zoran Zeremski/ iStock.com

Gibt es eine Grenze?

„Wir hören immer wieder, die Langlebigkeit des Menschen hat bald ihre Grenzen erreicht. Viele Experten glaubten, dass 90 Jahre das obere Limit der durchschnittlichen Lebenserwartung sind. Doch unsere Arbeit legt nahe, dass wir diese Marke knacken. Meiner Meinung nach befinden wir uns noch nicht einmal ansatzweise an der Grenze – falls es überhaupt eine gibt“, sagt Kontis Kollege Majid Ezzati.

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Den Berechnungen des Teams zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, dass südkoreanische Frauen 2030 im Schnitt älter als 90 werden bei über 50 Prozent. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Kinder werden gut ernährt, die Menschen haben niedrigen Blutdruck, rauchen wenig und haben Zugang zu fortschrittlicher Medizin. Entwickelt sich das asiatische Land so weiter wie derzeit abzusehen ist, haben die Südkoreaner damit die besten Chancen auf ein langes Leben.

Schlusslicht USA

Anders sieht es in den USA aus: Die durchschnittliche Lebenserwartung wird sich dort in den kommenden Jahren nur wenig verbessern. Laut der Prognose haben die US-Amerikaner bei der Geburt im Jahr 2030 eine ähnliche Lebenserwartung wie Menschen in Mexiko oder Kroatien. Aller Wahrscheinlichkeit nach könnte das Land sogar noch etwas schlechter abschneiden als diese Nationen – und somit das Schlusslicht in Sachen Lebenserwartung bilden. Als Ursachen sehen die Wissenschaftler vor allem Kriminalität und Übergewicht.

Und in Europa? Südkorea dicht auf den Fersen sind Spanien, Frankreich und die Schweiz. Die höchste Lebenserwartung der Europäer erreichen französische Frauen mit 88,6 Jahren – sie werden damit sogar älter als südkoreanische Männer. Bei den Männern sind die Schweizer mit knapp 84 Jahren europäische Spitzenreiter. Deutschland bewegt sich im Mittelfeld des Rankings: Bei uns werden Männer rund 81 und Frauen um die 85 Jahre alt.

Geschlechterlücke schließt sich

Die Ergebnisse offenbaren zudem, dass sich die Lücke zwischen Männern und Frauen weiter schließt. Wurden Frauen früher oft viel älter als Männer, unterscheidet sich die Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern in Zukunft nicht mehr so stark. „Traditionell pflegten Männer einen ungesünderen Lebensstil und starben daher früher. Sie rauchten und tranken mehr und waren öfter in Verkehrsunfälle oder Gewaltverbrechen involviert“, sagt Ezzati. Inzwischen jedoch glichen sich die Lebensstile immer mehr an.

Die steigende Lebenserwartung hängt in einigen Ländern damit zusammen, dass die Kindersterblichkeit weiter sinkt. Gerade in den Staaten mit einem hohen Einkommen trägt jedoch vor allem ein anderer Aspekt zu der Entwicklung bei: Die Alten werden immer älter. Wer im Jahr 2030 über 65 Jahre alt ist, wird als Frau in elf der 35 untersuchten Länder im Schnitt noch 24 weitere Jahre leben und als Mann in 22 Ländern noch 20 Jahre.

Alternde Gesellschaft als Herausforderung

Die immer älter werdende Bevölkerung stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar, wie die Forscher betonen. „Dass wir länger leben, bedeutet: Wir müssen uns überlegen, wie wir das Gesundheits- und Sozialsystem so ausrichten, dass es eine alternde Gesellschaft mit all ihren Bedürfnissen tragen kann“, sagt Ezzati.

Die Hochrechnungen der Wissenschaftler helfen den Ländern dabei, sich adäquat auf die Zukunft vorzubereiten, meint Ailiana Santose von der Umeå University in Schweden: „Anhand solcher Vorhersagen können Regierungen besser entscheiden, welche Investitionen sinnvoll sind.“ (The Lancet, 2017; doi: 10.1016/S0140-6736(16)32381-9)

(The Lancet/ Imperial College London, 22.02.2017 – DAL)

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