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Verhaltensforschung

Kuh-Klos fürs Klima

Toiletten-Training für Rinder könnte gegen Verschmutzung und Emissionen helfen

Milchkuh
Bisher sind Kühe alles andere als stubenrein: Sie setzen ihren Urin und Kot einfach irgendwo auf der Weide ab. © the huhu/ Getty images

Skurrile Idee: Forscher haben erstmals Rinder darauf trainiert, zur Toilette zu gehen – bisher galt dies als nicht machbar. Doch die Kälber lernten relativ schnell, ihren Urin und Kot nicht einfach irgendwo auf der Weide fallenzulassen. Stattdessen steuerten sie gezielt das „Kuhklo“ an, um dann dort ihr Geschäft zu verrichten. Das könnte dazu beitragen, die Kontamination von Böden und Wasser und die Treibhausgas-Emissionen durch Rinderexkremente einzugrenzen.

So wichtig Rinder auch für die Erzeugung von Gleich und Milchprodukten sind – sie tragen gleich auf mehrere Weise zur Umweltverschmutzung und Klimawandel bei. Zum einen werden für die Aufzucht und Mast der Tiere enorme Mengen an Wasser und Futter benötigt, was die Waldzerstörung und Monokulturen fördert. Zum anderen aber setzen Rinder direkt und indirekt klimaschädliche Gase frei: Sie „pupsen“ das hochpotente Treibhausgas Methan und die auf der Weide verteilten Exkremente werden von Bakterien zu Stickoxiden und Methan umgebaut.

Kuhklo
Dieses Rind hat gelernt, die Latrine zu benutzen. © FBN

Kann ein Rind seinen Stuhlgang kontrollieren?

Eine ungewöhnliche Lösung für das Exkrementproblem könnten nun Neele Dirksen vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologe (FBNM) in Dummersdorf und ihre Kollegen gefunden haben. Sie haben untersucht, ob sich Kühe nicht darauf trainieren lassen, auf die Toilette zu gehen. „Normalerweise geht man davon aus, dass Rinder nicht in der Lage sind, ihren Stuhlgang oder ihr Urinieren zu kontrollieren“, erklärt Dirksens Kollege Jan Langbein.

Immerhin schaffen es nicht einmal Menschenkinder auf Anhieb, ihren Harn- und Kotdrang so zu kontrollieren, dass sie es rechtzeitig aufs Klo schaffen. Allerdings: „Rinder sind, wie viele andere Tiere oder Nutztiere auch, ziemlich intelligent und lernfähig. Warum sollten sie nicht auch lernen können, wie man eine Toilette benutzt?“, so Langbein. Ähnlich wie bei der Toilettenerziehung von Kindern begannen er und seine Kollegen bei jungen Kälbern und setzten auf eine Mischung aus positivem und negativen Feedback.

Toiletten-Training in drei Schritten

Das Toiletten-Training der 16 Kälber begann damit, dass die Tiere einige Zeit in der „Kuh-Latrine“ gehalten wurden und bei jedem Urinieren oder Koten eine Futterbelohnung bekamen. Dadurch lernten sie, das Geschäftchenmachen an dieser Stelle mit etwas Angenehmem zu verbinden. Im nächsten Schritt lernten die Kälber nach und nach, sich selbstständig auf das Kuhklo zuzubewegen – auch dafür gab es ein positives Feedback in Form von Futter.

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Parallel dazu wollten die Forschenden erreichen, dass die Kälber das Urinieren außerhalb der Latrine mit unangenehmen Erfahrungen assoziierten. „Als Strafe haben wir ihnen zuerst jedes Mal ein fieses Geräusch auf einen In-Ear-Kopfhörer übertragen, wenn sie auf der Weide urinierten“, berichtet Langbein. „Wir dachten, dass sie das vielleicht abschrecken würde – aber sie ignorierten das einfach.“ Als effektiver erwies sich dann eine kurze gezielte Dusche mit kaltem Wasser.

Klogang für Kälber

Die Kombination dieser Trainingsmethoden erwies sich als erfolgreich: Immerhin elf der 16 Kälber wurden „stubenrein“ und lernten, ihren Urin und Kot in der Kuh-Latrine abzusetzen. „Unsere Studie demonstriert damit, dass Rinder durchaus lernen können, ihre unwillkürlichen Ausscheidungsreflexe zu kontrollieren“, konstatieren Dirksen und ihre Kollegen. „Diese Ergebnisse zeigen eine bisher ungenutzte Chance, die kognitiven Fähigkeiten von Tieren zu nutzen, um Umweltprobleme ohne Einschränkung des Tierwohls zu lösen.“

Das Toiletten-Training für Rinder könnte beispielsweise dazu beitragen, die Freisetzung von Ammoniak, Methan und Stickoxiden durch verdreckte Weiden und Ställe zu verringern. „Modellstudien haben gezeigt, dass das Einfangen von rund 80 Prozent des Rinderurins in Latrinen zu die Ammoniak-Emissionen um 56 Prozent verringern könnte“, erklären die Wissenschaftler. Wen dieses Ammoniak nicht mehr auf Weiden und in Böden gelangt, kann es dort auch nicht mehr in das potente Treibhausgas Methan umgewandelt werden.

Gibt es bald „stubenreine“ Rinder?

Das Forschungsteam ist optimistisch, dass sich die Erfolgsrate beim Klo-Training für Kühe sogar noch steigern lässt. „Nach zehn bis 15 Jahren der Forschung mit Rindern wissen wir, dass die Tiere eine Persönlichkeit haben und die Dinge auf individuelle Weise angehen – sie reagieren daher nicht alle gleich“, sagt Langbein. Das könnte erklären, warum nicht alle Kälber lernten, das Kuhklo zu benutzen. Aber durch Anpassung des Trainings halten es die Wissenschaftler für durchaus realistisch, dass in der Klogang in Zukunft für viele Rinder ganz normal werden wird. (Current Biology, 2021; doi: 10.1016/j.cub.2021.07.011)

Quelle: Cell Press

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