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Medizin

Krebsmedikament macht Alzheimer-Symptome rückgängig

Wirkstoff Bexaroten beseitigt Gedächtnisstörungen und Eiweiß-Plaques bei Mäusen

Mikroskopische Aufnahme der Hirnrinde einer Maus mit Alzheimer, rot angefärbt sind die schädlichen Eiweiß-Plaques. Links: Bei Behandldung mit einem Placebo, rechts: nach 3 Tagen Bexaroten. © Science/AAAS

Forscher könnten einen wichtigen Durchbruch gegen die Alzheimer-Krankheit erzielt haben: Ein gegen Krebs zugelassenes Medikament hat bei Mäusen Alzheimer-Symptome rückgängig gemacht. Der Wirkstoff Bexaroten beseitigte innerhalb von Stunden die zellzerstörenden Eiweißablagerungen im Gehirn der Tiere und verhinderte damit den weiteren Abbau von Gehirnmasse. Gleichzeitig baute das Mittel auch 75 Prozent der gelösten Eiweißverbindungen ab, die bei Alzheimer die Kommunikation der Gehirnzellen beeinträchtigen. Das zuvor schwer gestörte Verhalten und Gedächtnis der Mäuse hätte sich dadurch sehr schnell wieder normalisiert, berichten die Forscher im Fachmagazin „Science“.

„Das ist ein beispielloser Fund“, sagt Erstautorin Paige Cramer von der Case Western Reserve School of Medicine in Cleveland. Eine ähnlich schnelle und effektive Wirkung auch auf das Verhalten und die kognitiven Ausfälle bei Alzheimer habe man zuvor noch nicht beobachtet. Bisher benötige das beste bekannte Alzheimer-Mittel Monate, um die Eiweiß-Plaques im Gehirn zu reduzieren.

Klinische Studien mit Menschen könnten schnell beginnen

Noch sei nicht klar, ob das Bexaroten auch beim Menschen ähnlich effektiv gegen Alzheimer wirke, betonen die Forscher. Aber die Ergebnisse bei Mäusen seien sehr vielversprechend. Da der Wirkstoff bereits als Krebsmedikament für den Menschen zugelassen sei, wisse man zudem bereits, dass es ungefährlich und ohne schwere Nebenwirkungen eingesetzt werden könne. Das könnte, so hoffen die Wissenschaftler, den Beginn klinischer Studien mit Menschen stark beschleunigen. „Vieles deutet darauf hin, dass dieser Ansatz in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit erfolgreich sein könnte“, meint Mitautor Daniel Wesson von der Case Western Reserve University. Vor allem die breite Wirkung auf verschiedene Funktionsstörungen des Gehirns seien vielversprechend.

Krebsmittel wirkt auf Apolipoprotein E-Produktion

Der Wirkstoff Bexaroten ist seit 2002 auch in Deutschland als Krebsmittel zugelassen. Er wird vor allem gegen bestimmte Formen des Lymphdrüsenkrebses eingesetzt. Das Mittel kann die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und daher seine Wirkung auch direkt im Gehirn entfalten.

Bekannt war bereits, dass Bexaroten auf eine Andockstelle im Zellkern wirkt, die unter anderem die Produktion des Apolipoprotein E (ApoE) steuert. Das ApoE-Protein spielt im Gehirn eine wichtige Rolle als „Müllabfuhr“ für die schädlichen Eiweißplaques. Bei Alzheimer-Patienten ist der Abbau dieser Amyloid-Eiweiße gestört, deshalb reichern sie sich im Gehirn an. Dass das Bexaroten dieses Manko ausgleichen kann, indem es die ApoE-Produktion erhöht, haben die Forscher jetzt an Mäusen erstmals nachgewiesen.

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In den Versuchen zeigte sich nicht nur eine rapide Verminderung der Amyloid-Plaques im Gehirn der Tiere, auch die Alzheimer-Symptome der Mäuse besserten sich. So lernten die Mäuse nur 72 Stunden nach der ersten Behandlung wieder, aus Papierschnipseln ein Nest zu bauen – eine Fähigkeit, die sie zuvor durch Alzheimer verloren hatten. Auch Gedächtnistests bewältigten sie wieder ähnlich gut wie gesunde Mäuse. (Sacience, 2012; doi: 10.1126/science.1217697)

(Science, 10.02.2012 – NPO)

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