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Biologie

Korallen können “umschalten”

Skelettzusammensetzung an chemische Zusammensetzung des Meerwassers angepasst

Justin Ries am Korallenbecken © Will Kirk/JHU

Korallen sind weitaus flexibler als gedacht: Sie können das Material, aus dem sie ihre Skelette bauen, wechseln – je nachdem, welche Mineralien das umgebende Meerwasser gerade „im Angebot“ hat. Dies ist das überraschende Ergebnis einer jetzt in der Fachzeitschrift „Geology“ veröffentlichten Studie und gleichzeitig der erste Fall eines Tieres, das seine Skelettzusammensetzung auf diese Weise an Umweltveränderungen anpassen kann.

Riffe sind gewaltige Unterwasserstrukturen, die über lange Zeiträume hinweg gewachsen sind. Grundbestandteil dieser Bauten sind die Kalziumkarbonatskelette von Generationen von winzigen Korallentieren. Der Meeresgeologe Justin Ries und seine Kollegen von der Johns Hopkins Universität untersuchten nun den Skelettbildungsprozess von drei Arten moderner, riffbildender Korallen näher. Sie hielten die Tiere sechs Tanks, die mit Meerwasser unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung gefüllt waren. Das Verhältnis von Kalzium zu Magnesium in den Tanks spiegelte jeweils die Verhältnisse zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte wieder.

Umschalten bei Magnesiummangel

Nach zwei Monaten entnahm Ries die in dieser Zeit entstandenen Korallenskelette und analysierte ihre Mineralzusammensetzung mithilfe von Röntgendiffraktionsmessungen. Zur Überraschung des Forschers zeigte sich, dass die Korallen aus dem Meerwasser mit einem Magnesium-Kalzium-Verhältnis von weniger als 2:1 große Anteile ihres Skeletts aus dem Kalziummineral gebaut hatten, während die Tiere aus dem Becken mit „normalem“ Meerwasser nur Aragonit benutzten.

Offensichtlich können die Tiere, entgegen vorherigen Annahmen, durchaus von Aragonit zu einem anderen Mineral umschalten, wenn Magnesiummangel herrscht. „Das ist faszinierend, weil wir bisher immer geglaubt haben, dass die Zusammensetzung der Korallenskelette festgelegt ist“, erklärt Ries. Seiner Ansicht nach gibt diese „mineralogische Flexibilität“ den Korallen einen evolutionären Vorteil, da sich im Laufe der Erdgeschichte die Meerwasserzusammensetzung mehrfach dramatisch geändert hat und es deutlich mehr Energie gekostet hätte, die Standardzusammensetzung auch unter widrigen Umständen weiter zu produzieren.

Wachstum verlangsamt

Ganz ohne Nachteile bleibt jedoch auch das Umschalten nicht: Die Korallen, die ihre Skelette auf Kalzitbasis erzeugten, wuchsen deutlich langsamer als ihre Artgenossen unter Normalbedingungen. „Die Reduktion der Wachstumsrate durch das chemisch veränderte Meerwasser ist ein weiterer Beleg dafür, wie sensibel die Korallen auf Umweltveränderungen reagieren“, so der Wissenschaftler.

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„Angesichts der gegenwärtigen und für die Zukunft vorhergesagten Veränderungen in Temperatur und Salzgehalt der Ozeane durch die Klimaerwärmung und die steigenden CO2-Konzentrationen, bedeutet das, dass dies auch auf die Fähigkeiten der Korallen zum Bau ihrer Skelette und damit der Riffe Auswirkungen haben wird“, so Ries. Keine gute Nachricht für die sensiblen Ökosysteme der Riffbewohner. Und auch nicht für die Küstengebiete, denen die vorgelagerten Riffe als wichtiger Schutz und Wellenbrecher dienen.

(Johns Hopkins University, 07.07.2006 – NPO)

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