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Paläontologie

Konnten Flugsaurier von Geburt an fliegen?

Vergleiche fossiler Pterosaurier-Embryos deuten auf frühe Entwicklung von Flugkünsten hin

Flugsaurier-Brutplatz
Frisch geschlüpft und schon flugfähig? Das könnte bei den Pterosauriern tatsächlich der Fall gewesen sein. © James Brown

Frühreife Flugkünstler: Schon frisch geschlüpfte Flugsaurier konnten wahrscheinlich fliegen. Darauf deuten neue Analysen fossiler Pterosaurier-Embryos hin. Entgegen bisheriger Annahmen begannen die für den Flug wichtigen Körperteile demnach bereits in einem relativ frühen Entwicklungsstadium zu verknöchern. Kurz vor dem Schlupf war der Flugapparat dann so weit entwickelt, dass sich die Jungtiere in die Lüfte erheben konnten – und unabhängig von ihren Eltern waren.

Lange bevor Vögel die Lüfte eroberten, war der Himmel das Reich der Flugsaurier. Sie waren die ersten Wirbeltiere, die fliegen konnten – und dominierten mehr als 150 Millionen Jahre lang den Luftraum unseres Planeten. Fossilfunde haben Paläontologen bereits viel über das Leben dieser geflügelten Urzeitwesen verraten. Doch über die Fortpflanzung und die Embryonalentwicklung der Pterosaurier ist bis heute nur wenig bekannt.

Wie weit entwickelt waren die Jungtiere zum Beispiel zum Zeitpunkt des Schlupfes? Waren sie auf die Fürsorge ihrer Eltern angewiesen oder konnten sie womöglich sogar schon fliegen? Der Fund einer großen Ansammlung von Eiern des Flugsauriers Hamipterus tianshanensis in China hat Forscher vor einiger Zeit zu der Vermutung geführt, dass sich der frisch geschlüpfte Nachwuchs noch nicht in die Lüfte erheben konnte.

Fossiles Pterosaurier-Ei
124 Millionen Jahre altes Fossil eines Flugsaurier-Embryos im Ei aus China: Das Tier stand kurz vor dem Schlupf und hatte bereits einen weit entwickelten Flugapparat. © Dave Unwin

Entwicklungsstadien im Vergleich

Doch David Unwin von der University of Leicester und seine Kollegen widerlegen diese Hypothese nun. Für ihre Studie verglichen sie die Anatomie der damals teilweise als weit entwickelt interpretierten Embryo-Fossilien mit den embryonalen Entwicklungsstadien von Vögeln und Krokodilen. Außerdem zogen sie für ihre Analyse neue Fossilfunde aus China und Argentinien heran – insgesamt 19 Pterosaurier-Embryos von vier unterschiedlichen Spezies, darunter der Pterodaustro guinazui, der vor rund 126 bis 100 Millionen Jahren in Südamerika lebte.

Die Vergleiche führten die Wissenschaftler zu dem Schluss: Einige der Hamipterus-Embryos sind wohl einem früheren Embryonalstadium zuzuordnen als bisher gedacht. „Die Embryos repräsentieren wahrscheinlich ein mittleres Entwicklungsstadium. Folglich stellt ihre erst wenig fortgeschrittene Verknöcherung der Vorderarmknochen sowie der Ansatzstellen der Flugmuskeln nicht die Skelettmorphologie kurz vor dem Schlupf befindlicher Tiere dar“, erklären sie.

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Weit entwickelter Flugapparat

Ganz anders bei den neuen Funden von Pterodaustro und Co: Diese Embryos standen dem Forscherteam zufolge allesamt kurz davor, aus dem Ei zu schlüpfen – und sind bereits deutlich weiterentwickelt. Insgesamt offenbarte der Vergleich der unterschiedlichen Entwicklungsstadien vom ganz frischen Ei, über den mittelweit entwickelten Embryo bis hin zum Zeitpunkt kurz vor dem Schlupf, dass die für das Fliegen wichtigen Körperteile offenbar die ersten waren, die sich bei den Flugsauriern verknöcherten.

Dazu gehören die Wirbelsäule, Gliedmaßen wie der stark verlängerte vierte Finger und einige Muskelansatzstellen. Nach dem Schlupf war der Flugapparat der Tiere dann so weit ausgebildet, dass sie selbstständig fliegen konnten. Kein anderes bekanntes Wirbeltier war oder ist dazu imstande, wie Unwin und seine Kollegen betonen.

Jungtiere als Nestflüchter?

Stimmt die Interpretation der Funde, bedeutet das auch: Es gibt neue Argumente für die Nestflüchter-Hypothese. „Dass es bei den Flugsauriern elterlicher Fürsorge gab, ist zwar nicht ausgeschlossen. Sie war aber nicht zwangsläufig notwendig“, konstatieren die Wissenschaftler. Die Pterosaurier könnten demnach bereits direkt nach der Geburt unabhängig von ihren Eltern gelebt haben. „In diesem Aspekt unterschieden sie sich deutlich von modernen Vögeln und Fledermäusen“, schließt das Team. (Proceedings of the Royal Society B, 2019; doi: 10.1098/rspb.2019.0409)

Quelle: University of Leicester

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