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Medizin

Körpereigenes Cannabis macht Spermien scharf

Samenzellen tragen Cannabinoid-Rezeptor im Kopf

Damit das Spermium die Eizelle befruchten kann, muss es erst ein Cannabinoid "erschnuppert" haben. © ei Sashkinw/ iStock.com

Forscher haben bei menschlichen Spermien einen Rezeptor für Cannabinoide entdeckt. Er sorgt dafür, dass die Spermien ihre Kopfhülle abwerfen und dadurch befruchtungsfähig werden. Dies geschieht jedoch erst, wenn das Spermium im Genitaltrakt der Frau mit ihren körpereigenen Cannabinoiden in Kontakt kommt. Sie schalten die Samenzellen sozusagen „scharf“, wie die Forscher im Fachmagazin “ Scientific Reports“ berichten.

Spermien haben es nicht leicht: Nur wenige hundert von anfangs mehreren Millionen schaffen es, die Reise durch den weiblichen Genitaltrakt zur Eizelle zu überstehen. Dabei müssen sie chemisch ungünstige Milieus überwinden, den richtigen Weg durch den Eileiter finden und dann auch noch als Erster ankommen. Damit dies gelingt, nutzten die Samenzellen raffinierte Schwimmtechniken, folgen chemischen Duftspuren und führen dabei sogar Berechnungen durch.

„Nase“ für THC und NAGly

Jetzt zeigt sich, dass Spermien sogar die Hilfe einer Droge brauchen, um befruchtungsfähig zu werden. Entdeckt haben dies Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum und seine Kollegen, als sie die chemischen Rezeptoren menschlicher Spermien untersuchten. Wie sie herausfanden, besitzt die Samenzelle mindestens 60 Riechrezeptoren und 223 weitere chemische Andockstellen.

Wie die Forscher herausfanden, reagiert einer dieser chemischen Sensoren auf eine eher ungewöhnliche Substanz: Cannabinoide. Der Rezeptor GPR18 gehört sogar zu den drei am häufigsten vorkommenden Andockstellen auf dem Spermium. „Der Rezeptor reagiert sowohl auf den pflanzlichen Cannabis-Wirkstoff THC als auch auf die körpereigene Fettsäure NAGly, die zum Cannabinoidsystem gehört“, sagt Hatt. „Er ist wesentlich empfindlicher für NAGly als die beiden klassischen, schon lange bekannten Cannabinoid-Rezeptoren.“

Befruchtungsbereit durch Cannabinoid-Kontakt

Wozu aber benötigt ein Spermium eine „Nase“ für Cannabinoide? Diese auf den ersten Blick seltsame Ausstattung lässt sich dadurch erklären, dass körpereigene Cannabinoide im männlichen und im weiblichen Genitaltrakt vorkommen. Studien legen nahe, dass ihre Konzentration bei der Frau an den fruchtbaren Tagen erhöht ist.

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Und hier kommt der Rezeptor ins Spiel: Kommt das Spermium mit dem Cannabinoid NAGly in Kontakt, wird er aktiv. Er löst die sogenannte Akrosom-Reaktion aus, bei der das Spermium Verdauungsenzyme freisetzt und die Hülle an seiner Spitze verliert. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Samenzellen in die Eizelle eindringen können.

„Das Cannabinoid schaltet die Spermien gewissermaßen scharf“, sagt Hatt. Diese Reaktion stellt sicher, dass die Spermien erst kurz vor ihrem Ziel die Hülle abwerfen und befruchtungsbereit sind. Ohne die körpereigene Cannabis-Dusche bleiben die Spermien Blindgänger. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep32255)

(Ruhr-Universität Bochum, 31.08.2016 – NPO)

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