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Neurobiologie

Körperbewusstsein entsteht rechts im Gehirn

Inselregion entscheidender Teil eines größeren Netzwerkes

Ein kleiner Teil der rechten Gehirnhälfte, die so genannte Inselregion, ist entscheidend für das Entstehen unseres Körperbewusstseins: Dies haben jetzt Wissenschaftler Universitätsklinikums Tübingen herausgefunden.

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Normalerweise ist uns klar, dass unsere Arme und Beine uns selbst und nicht jemand anderem gehören. Wenn wir die Glieder bewegen, wissen wir, dass wir es sind, die sie bewegen, und wenn sie ruhen ist uns dies ebenso bewusst. Dieser so selbstverständliche Zustand kann sich jedoch nach einem Schlaganfall dramatisch ändern.

Die Patienten sind plötzlich der Meinung, dass ihr durch den Schlaganfall gelähmtes Bein oder Arm völlig gesund seien, sich ganz normal bewegen würden. Oder sie leugnen sogar, dass die betroffene Extremität zu ihnen gehört: „Ich weiß nicht wem der Arm gehört, meiner ist es jedenfalls nicht“. Die Forscher des Universitätsklinikums Tübingen um Professor Hans-Otto Karnath konnten nun die Ursache für diese Störung aufklären.

Danach entsteht das Bewusstsein für unsere Arme und Beine, dass wir wissen, dass sie zu uns gehören, sie nicht als Fremdkörper empfinden und wissen, was sie gerade tun, in einem kleinen Teil der rechten Gehirnhälfte, den die Hirnforscher Inselregion nennen. Diese liegt gut geschützt unter der Hirnrinde und scheint der entscheidende Teil eines Netzwerkes zu sein, das unser Körperbewusstsein erzeugt. Das Bewusstsein für den eigenen Körper ist also nicht einfach da, sondern aufs Engste mit aktiven Hirnprozessen verbunden, die in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt sind.

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In der Studie von Professor Karnath wurden zwei Gruppen Schlaganfall-Patienten mit Halbseitenlähmung untersucht: Eine Gruppe mit Anosognosie leugnet, dass sie ihren schwer gelähmten Arm und ihr gelähmtes Bein nicht mehr bewegen können. Sie berichten, dass alles normal funktioniere und empfinden diese Glieder als Fremdkörper. Die andere Gruppe (der Normalfall nach einem Schlaganfall) ist sich bewusst, dass der Arm und das Bein dieser Körperseite gelähmt sind und verhalten sich entsprechend.

Mittels Kernspin- und Computertomographie stellten die Tübinger Forscher fest, dass die Patienten mit Anosognosie – verglichen mit der Kontrollgruppe – alle einen Defekt in der Inselregion der rechten Gehirnhälfte hatten. Diese Region scheint entscheidend für das Entstehen unser Körperbewusstseins zu sein. Daraus folgt, dass das Bewusstsein für den eigenen Körper bzw. für Körperteile bei einer Schädigung dieser Struktur auch erlöschen kann. Tatsächlich ist genau dies bei den von Karnath untersuchten Patienten mit Anosognosie der Fall.

Die Wissenschaftler berichten über ihre Ergebnisse im Journal of Neuroscience.

(idw – Universitätsklinikum Tübingen, 08.08.2005 – DLO)

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