CO2-Senken gesucht: Eine neue Weltkarte zeigt, wo Wälder und Böden noch Kohlendioxid aufnehmen können und wie viel. Weltweit liegt das ungenutzte Speicherpotenzial demnach bei rund zwölf Prozent – das entspricht immerhin 287 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Rund 70 Prozent davon liegen in den Wäldern der Tropen und Subtropen. Um das Potenzial dieser natürlichen CO2-Speicher zu nutzen, bringt ein besseres Management dieser Wälder mehr als eine Aufforstung, wie die Forscher berichten.
Wälder und Böden sind wichtige Treibhausgas-Senken im Klimasystem, denn sie speichern Kohlenstoff in Form von Biomasse und organischem Material und entziehen es damit dem Kohlenstoffkreislauf. Alte Bäume und intakte Waldökosysteme sind dabei besonders effiziente CO2-Senken. Der Erhalt und die Aufforstung von Wäldern gelten daher als wichtige Maßnahmen gegen den Klimawandel. Wie viel zusätzliches CO2 die Waldökosysteme durch solche Maßnahmen aufnehmen können, ist jedoch umstritten.
CO2-Speicherung von Wäldern und Böden im Blick
Ein Antwort darauf liefert nun eine Studie von Wayne Walker vom Woodwell Climate Research Center in Massachusetts und seinen Kollegen. Sie haben genauer untersucht, wie hoch das noch ungenutzte Potenzial für die CO2-Speicherung in Wäldern und Böden ist. „Um dieses Potenzial für den Klimaschutz nutzen zu können, müssen wir wissen, wie viel Speicherplatz noch verfügbar ist, wo auf der Welt dieser Platz ist und mit welchen Maßnahmen wir dieses Potenzial am schnellsten nutzen können“, erklärt Walker.
Dafür haben die Forschenden auf Basis von globalen Datensätzen und einem Modell hochauflösende Weltkarten erstellt, die die noch verfügbare CO2-Aufnahmekapazität von Bäumen, Baumwurzeln und Böden bis auf 500 Meter genau zeigen. Zusätzlich untersuchten sie, wie effizient Maßnahmen wie der Waldschutz, ein verbessertes Waldmanagement und die Aufforstung die CO2-Speicherung dieser Reservoire erhöhen können.
Es gibt noch ungenutztes Potenzial
Das Ergebnis: Die volle Kapazität der natürlichen CO2-Senken ist tatsächlich noch nicht ausgeschöpft. Denn die Wälder und Böden weltweit speichern zwar schon rund 3,4 Billionen Tonnen Kohlenstoff – das entspricht aber nur rund 88 Prozent des maximal Möglichen. „Demnach bleibt ein Defizit von zwölf Prozent oder 494 Milliarden Tonnen Kohlenstoff als Potenzial für eine zusätzliche CO2-Aufnahme“, schreiben Walker und sein Team.
Fast drei Viertel dieses nicht genutzten Potenzials liegt dabei in den ober- und unterirdischen Geweben der Bäume. Zieht man von diesem Maximalpotenzial die Landflächen ab, die für die landwirtschaftliche Nahrungsproduktion und für Siedlungsflächen benötigt werden, bleiben immerhin noch 286,7 Milliarden Tonnen ungenutztes Speicherpotenzial in Wäldern und Böden übrig.
Große regionale Unterschiede
Das ungenutzte CO2-Speicherpotenzial ist dabei nicht gleichmäßig über die Erde verteilt: „Von den drei großen bioklimatischen Zonen haben die Tropen und Subtropen mit 68 Prozent den mit Abstand größten Anteil“, berichten die Forschenden. „Das ist fünfmal mehr als die gemäßigte und 3,5-mal mehr als die boreale und polare Zone.“ Unterschiede gibt es auch im Verhältnis von Biomasse zu Böden: In den gemäßigten Breiten liegen nur rund 60 Prozent des ungenutzten Potenzials in den Bäumen selbst, in der borealen Zone sind es hingegen 90 Prozent.
Betrachtet man die Verteilung dieser CO2-Senke auf die einzelnen Länder, gibt es ebenfalls deutliche Unterschiede. So entfällt die Hälfte des ungenutzten Potenzials auf nur sieben Länder: Russland, Brasilien, die USA, China, die Republik Kongo, Indonesien und Kanada. Allein die riesigen borealen Waldgebiete Russlands umfassen rund 15 Prozent des globalen Potenzials. Rechnet man dies aber auf ungenutztes Speicherpotenzial pro Flächeneinheit um, liegen tropische Länder vorne. Zu den Top Fünf gehören dann die Philippinen, Indonesien, Myanmar, Madagaskar und Tansania, wie Walker und seine Kollegen berichten.
Optimierte Bewirtschaftung wirksamer als Aufforstung
Interessant auch: Die oft als probates Klimaschutzmittel gewertete Aufforstung ist bei weitem nicht die effektivste Maßnahme, um die CO2-Speicheurng anzukurbeln. Stattdessen sind ein verbesserter Schutz und ein optimiertes Management existierender, aber degradierter Wälder deutlich wirksamer, wie Walker und seine Kollegen ermittelt haben. Dabei geht es darum, diese Wälder wieder in einen naturnahen Zustand mit vielen alten Bäumen zurückzubringen.
„Eine verbesserte Bewirtschaftung der existierenden Wälder kann fast drei Viertel des ungenutzten Potenzials ausschöpfen“, erklären die Forschenden. In den Tropen würde dies fünfmal mehr bringen als eine Aufforstung bereits gerodeter Flächen. „Daraus folgt, dass ein Erhalt und eine verbesserte Bewirtschaftung gegenüber der Aufforstung priorisiert werden sollte, wo immer dies möglich ist“, konstatieren Walker und sein Team.
Nach Ansicht des Forschungsteams können ihre Karten und Daten nun ganz praktische Hilfe dabei bieten, die jeweils effektivsten Maßnahmen für die verschiedenen Regionen und Länder zu ermitteln. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2111312119)
Quelle: Woodwell Climate Research Center, PNAS