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Hat der Klimawandel Mitschuld an SARS-CoV-2?

Veränderungen der letzten 100 Jahre schufen Coronaviren-Hotspot in Südchina

Fledermaus
Fledermäuse sind die Haupt-Reservoire für Coronaviren. Ihre Verbreitung beeinflusst daher auch das Risiko für einen Artsprung. © jemastock/ iStock.com

Möglicherweise ist es kein Zufall, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 gerade im Süden Chinas auf den Menschen übersprang. Denn die Fledermaus-Population dieser Region hat in den letzten 100 Jahren drastisch zugenommen, wie eine Studie enthüllt. Angetrieben vom Klimawandel und der sich verändernden Vegetation kamen rund 40 zusätzliche Fledermausspezies in das Gebiet – und mit ihnen ihre rund 100 Coronaviren-Arten.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist wahrscheinlich schon Jahrzehnte vor dem Beginn der Corona-Pandemie in Fledermäusen entstanden. Diese Tiere sind durch Jahrmillionen der Koevolution daran angepasst, Infektionen mit Coronaviren und anderen Erregern zu tolerieren, ohne selbst krank zu werden. Dadurch sind sie Reservoirwirte und Überträger für unzählige potenziell humanpathogene Viren. Forscher schätzen, dass Fledermäuse weltweit mehr als 3.000 verschiedene Coronaviren tragen – im Schnitt beherbergt jedes Tier 2,7 Virenarten.

Hufeisennase (Rhinolophus pusillus)
In Südasien verbreitete Hufeisennasen gelten als mögliche Reservoire für Vorläufer von SARS-CoV-2. © Charoenchai Tothaisong/ iStock.com

Je mehr Fledermäuse, desto mehr Coronaviren

Das aber bedeutet auch: Je mehr Fledermausspezies in einer Region leben, desto größer ist auch die Vielfalt an potenziell zoonotischen Viren. „Jede Zunahme der lokalen Fledermaus-Artenvielfalt kann daher das Risiko erhöhen, dass ein Coronavirus mit potenziell für den Menschen schädlichen Eigenschaften präsent ist, übertragen wird oder sich in der Region entwickelt“, erklären Robert Beyer von der University of Cambridge und seine Kollegen.

Faktoren, die die Fledermaus-Vielfalt erhöhen, verstärken damit auch das Risiko eines Kontakts neuer Viren zum Menschen und damit auch die Gefahr eines Artsprungs solcher Erreger. Zu diesen Faktoren gehören Veränderungen der Landnutzung, aber auch der Klimawandel, wie die Forscher erklären. Denn er kann zuvor wegen ihres Klimas oder der Vegetation ungeeignete Lebensräume so verändern, dass sich neue Fledermausarten ansiedeln können.

Hotspot Yunnan

Ob dies tatsächlich passiert ist und wo solche klimabedingten Hotspots der Fledermaus-Vielfalt entstanden sind, haben nun Beyer und sein Team untersucht. Dafür werteten sie zunächst globale Klima- und Vegetationsdaten aus der Zeit von 1901 bis 20190 aus. Dann ermittelten sie auf Basis von Daten der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) die heutige Verbreitung aller bekannten Fledermausarten. Anhand der ökologischen Ansprüche dieser Arten an Habitat und Klima rekonstruierten sie schließlich deren weltweites Vorkommen vor 100 Jahren.

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Das Ergebnis: Es gibt einige Regionen auf der Welt, in der sich die Vegetation durch Klimaveränderungen deutlich verändert hat. Dadurch sind die Bedingungen für Fledermäuse dort günstiger geworden – beispielsweise, weil tropisches Buschland einer tropischen Savanne und Laubwald gewichen ist. Zu diesen Gebieten gehören Teile Zentralafrikas, einige Bereiche Mittel- und Südamerikas, aber vor allem ein großes Areal rund um die südchinesische Provinz Yunnan und angrenzende Gebiete von Laos und Myanmar.

Karte
Regionale Veränderungen der Fledermaus-Artenzahl seit 1901. © Robert Beyer

100 Coronaviren-Varianten mehr in hundert Jahren

Das aber bedeutet: Die Provinz, die als möglicher Ursprungsort für SARS-CoV-2 und seinen Vorgänger SARS gilt, könnte erst durch den Klimawandel zu einem Hotspot der Fledermäuse und Fledermausviren geworden sein. Konkret ermittelten die Forscher, dass es in Yunnan heute rund 40 Fledermausarten mehr gibt als noch vor 100 Jahren. Dadurch hat die Zahl der dort vorkommenden Fledermaus-Coronaviren-Varianten um rund 100 zugenommen.

„Als der Klimawandel die Habitate veränderte, verließen die Fledermausarten einige Gebiete und eroberten neue – und nahmen dabei ihre Viren mit“, erklärt Beyer. „Das hat nicht nur das Vorkommen dieser Viren verändert, sondern auch neue Interaktionen zwischen Viren und Mensch ermöglicht. Das wiederum führt dazu, dass mehr krankmachende Viren sich entwickeln und übertragen werden.“

Mitverantwortlich für SARS-CoV-2

Natürlich ist der Klimawandel nicht der einzige Faktor, der Lebensräume zu neuen Hotspots für Fledermäuse und ihre Coronaviren macht – das betont auch das Forscherteam. Dennoch sehen sie im Klima einen wesentlichen Treiber für diesen Trend. Ihrer Ansicht nach könnte der Klimawandel daher direkt mit verantwortlich dafür sein, dass sich die viralen Vorläufer von SARS-CoV-2 in Südchina entwickeln und etablieren konnten.

Ähnlich wie andere Forschergruppen vor ihnen empfehlen auch Beyer und sein Team, solche Hotspots der Zoonosen künftig genau zu überwachen und neue Kontakte zwischen Mensch und Tier durch strenge Naturschutzvorgaben, Jagdbeschränkungen und andere Regelungen zu minimieren.

Aber auch beim Klimaschutz sehen sie einen Ansatzpunkt: „Wir wissen, dass der Klimawandel die Übertragung von Wildtier-Viren auf den Menschen beschleunigen kann. Das sollte für uns ein dringender Weckruf sein, die globalen Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren“, sagt Koautor Camilo Mora von der University of Hawaii in Manoa. (Science of the Total Environment, 2021; doi: 10.1016/j.scitotenv.2021.145413)

Quelle: University of Cambridge

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