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Botanik

Klimawandel: Die Verlierer-Pflanzen

Genetischer Flaschenhals und hohe Spezialisierung könnten Pflanzen an Anpassung hindern

Der Klimawandel könnte die Pflanzenwelt auf der Erde drastisch verändern. © Romolo Tavani/ iStock.com

Stark spezialisiert und genetisch nicht sehr flexibel: Es sind Pflanzenarten wie diese, die der Klimawandel mit seiner aktuellen Geschwindigkeit wohl vor unüberwindbare Herausforderungen stellt. Das haben Forscher nun exemplarisch an zwei Schaumkresse-Arten gezeigt. Die beiden Spezies haben im Laufe ihrer Entwicklung an genetischer Vielfalt verloren und sind außerdem nur in einem begrenzten Lebensraum verbreitet – das könnte ihnen in Zukunft zum Verhängnis werden.

Durch den Klimawandel verändern sich die Lebensräume auf unserem Planeten in Zukunft drastisch. Das gilt auch für die Pflanzenwelt. Forscher gehen davon aus, dass sich die zunehmende Erwärmung in vielen Regionen negativ auf die dortige Artenvielfalt auswirkt. Denn wer es nicht schafft, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, muss zwangsläufig weichen.

Anpassung als Herausforderung

Doch welche Pflanzen werden sich angesichts dieser Herausforderung als wahre Anpassungskünstler erweisen – und wer wird den Kürzeren ziehen? Dieser Frage sind Populationsgenetiker um Karl Schmid von der Universität Hohenheim nun am Beispiel der beiden Schaumkresse-Arten Arabidopsis pedemontana und Arabidopsis cebennensis nachgegangen.

Die Kreuzblütler wachsen bevorzugt in der Nähe von Wildbächen in den italienischen Alpen oder den französischen Cevennen und sind den Forschern zufolge ein beispielhaftes Modell für einen ganz bestimmten Typ Pflanze: „Nach dem aktuellen Stand scheint der Klimawandel so schnell fortzuschreiten, dass diese Pflanzen nur eine geringe Chance haben: Sie sterben einfach aus.“

Spezialisten haben es schwer

Aber warum sind ausgerechnet Pflanzen wie die zwei Schaumkresse-Spezies die prädestinierten Verlierer der Erderwärmung? Dafür gibt es vor allem zwei Gründe, wie Schmid und seine Kollegen berichten. Zum einen wird den Pflanzen ihre starke Spezialisierung zum Verhängnis: „Die beiden Arten sind endemisch, sie haben also ein sehr kleines Verbreitungsgebiet. Zudem gedeihen sie nur unter bestimmten Bedingungen: Sie vertragen warme Temperaturen nicht, und sie brauchen viel Wasser, da sie es nur schlecht speichern können“, sagt Schmid.

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Außerdem sind beide Arten kaum resistent gegen feindliche Insekten und Krankheiten wie Mehltau. Bisher war das in den kühlen, wasserreichen Bergregionen, in denen die beiden Arten vorkommen, kein Problem. Doch durch den Klimawandel steigen auch hier die Temperaturen. Die Folge: Schädliche Insekten und Krankheitserreger dringen in immer höhere Lagen vor.

Mangelnde genetische Vielfalt

Für die Spezialisten wäre eine Veränderung ihres Lebensraums demnach weniger leicht zu ertragen als für Pflanzen, die mit unterschiedlichen Bedingungen zurechtkommen können und widerstandsfähiger sind. Die einzige Lösung für die Schaumkressen: Sie müssten sich durch genetische Veränderungen an ihre neue Umwelt anpassen.

Doch das dürfte für beide Arten eine womöglich unlösbare Aufgabe sein. So stellten die Wissenschaftler fest, dass vor allem eine der beiden Spezies eine sehr geringe genetische Vielfalt aufweist. Das deutet darauf hin, dass die Art im Laufe ihrer Evolution einen sogenannten genetischen Flaschenhals durchlaufen hat. Dabei geht aufgrund zufälliger Auswahlprozesse ein Großteil der genetischen Vielfalt verloren. Das Ergebnis ist eine Population, die weniger anpassungsfähig ist.

„Schlecht aufgestellt“

Die zweite Schaumkresse im Bunde punktet zwar mit einer etwas höheren genetischen Vielfalt. Dafür ist sie jedoch in einem viel kleineren Lebensraum verbreitet als ihre Verwandte. Auch eine geringe Populationsgröße ist dem Team zufolge ein Faktor, der Arten in Bedrängnis bringen kann. Beide Spezies seien damit für Umweltveränderungen schlecht aufgestellt, befürchtet Schmid.

„Wenn der Klimawandel wie erwartet eine schnelle genetische Anpassung erfordern würde, können wir nach dem aktuellen Stand davon ausgehen, dass diese beiden Arten es nicht schaffen“, so sein ernüchterndes Fazit.

Rettung durch Kreuzung?

Um die Schaumkressen doch noch fit für den Klimawandel zu machen, versuchten die Forscher, die beiden Arten mit verwandten Arabidopsis-Arten zu kreuzen. Doch der Versuch zeigte keinen Erfolg. Lediglich miteinander zeugten die Beiden fruchtbare Nachkommen. Die Kreuzung mit anderen Spezies scheint demnach als Ausweg aus der genetischen Sackgasse nicht infrage zu kommen.

In Zukunft wollen Schmid und seine Kollegen die Familiengeschichte sowie die physiologischen Eigenschaften der Schaumkressen genauer erforschen, um mehr über die Gründe für ihre starke Spezialisierung und ihre Anpassungsfähigkeit in Erfahrung zu bringen.

(Universität Hohenheim, 10.05.2017 – DAL)

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