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Biologie

Kleinste Süßwasseralge der Welt identifiziert

Mikroalge besitzt nur zwei Zellorganellen und das kleinste Genom aller Süßwasseralgen

MIkroalge
Diese grünen Schlieren bestehen aus den nur knapp einen Mikrometer kleinen Zellen der neu entdeckten Mikroalge Medakamo hakoo. © Sachihiro Matsunaga 2023

Winzig, aber oho: Eine in einem Aquarium entdeckte Grünalge hat sich als die kleinste Süßwasseralge der Welt entpuppt. Die rund einen Mikrometer kleinen Zellen enthalten nur ein Mitochondrium und einen Chloroplasten – schon dies ist für Pflanzen ungewöhnlich. Zudem ist die DNA dieser Alge nur 15,8 Millionen Basenpaare lang und damit kürzer als bei allen bisher bekannten Süßwasseralgen. Dennoch betreibt die Medakamo hakoo getaufte Mikroalge eine effiziente Photosynthese.

Die Mikroalgen in Ozeanen, Seen und Flüssen bilden die Basis der aquatischen Nahrungsketten: Ihre Photosynthese erzeugt ein Großteil der organischen Nahrung für unzählige andere Organismen, zudem ist ihre Sauerstoffproduktion entscheidend für den Gashaushalt von Gewässern, Meeren und Atmosphäre. Mikroalgen gelten zudem als mögliche Helfer gegen den Klimawandel, weil sie Kohlendioxid beispielsweise aus Abgasen absorbieren können. Trotz dieser essenziellen Rolle sind jedoch weniger als ein Drittel aller Mikroalgenarten bisher bekannt und beschrieben.

Medakamo hakoo
Die Mikroalge Medakamo hakoo enthält neben dem Zellkern (n) nur ein Mitochondrium (mt) und einen Chloroplasten (cp) © Kato et al./ Communications Biology,
CC-by 4.0

Überraschender Fund in einem Heimaquarium

Eine ganz besondere Spezies dieser kleinen Bio-Akteure haben nun Shoichi Kato von der Universität Tokio und seine Kollegen entdeckt – an einem unerwarteten Ort. Denn die neue Art verbarg sich nicht etwas in einem entlegenen Meeresgebiet oder einem schwer zugänglichen Bergsee, sondern in einem ganz normalen Heimaquarium. Für ihre Studie hatten die Forschenden Wasserproben aus diesem Aquarium entnommen und alle darin enthaltenen Algen kultiviert.

Schon in den ersten fluoreszenzmikroskopischen Untersuchungen erwies sich dabei eine Mikroalge als besonders klein und DNA-arm. Ihre Zellen waren nur knapp einen Mikrometer klein. „Wir haben daraufhin die DNA dieser Algenart sequenziert und mit dem Genom anderer Mikroalgen verglichen“, erklärt Katos Kollege Sachihiro Matsunaga. Dies enthüllte, das es sich bei dieser im Aquarium entdeckten Alge um eine neue, zuvor unbekannte Art handelt. Sie wurde Medakamo hakoo getauft.

Verinfachte Zellstruktur und kleinstes Genom

Noch Spannender jedoch: Diese Alge ist in mehrfacher Hinsicht rekordträchtig. „Medakamo hakoo enthält nur ein Mitochondrium zur Energieproduktion und einen Chloroplasten für die Photosynthese“, berichtet Matsunaga. Im Gegensatz dazu enthalten normale Pflanzenzellen typischerweise mehrere Zellkraftwerke und Chloroplasten. „Dies deutet darauf hin, dass es sich hier um eine Mikroalge mit einer extrem einfachen Zellstruktur handelt“, so Matsunaga.

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Zum anderen ist auch das Genom dieser Mikroalge extrem klein und einfach gestrickt, wie die DNA-Analysen enthüllten. „Das Erbgut von Medakamo hakoo ist 15,8 Megabasenpaare lang und umfasst 7.829 Gene“, berichten die Forschenden. Damit habe diese Mikroalge eines der kürzesten Genome aller grünen Pflanzen und das kleinste Genom aller Süßwasseralgen. Nur das Genom einer marinen Mikroalge ist mit 12,6 Millionen Basenpaaren noch ein wenig kürzer.

Den Analysen zufolge fehlen der Mikroalge Medakamo hakoo unter anderem einige Gene für die Kernhülle der Zelle und für die Histonverpackung der DNA. Außerdem fehlt ihr die Bauanleitung für Phytochrom, ein bei den meisten Pflanzen als Lichtsensor verwendetes Molekül.

Mikroalge ist extrem produktiv

Doch trotz oder vielleicht sogar wegen dieser extrem sparsamen Ausstattung ist die kleine Alge extrem produktiv. Sie kann selbst bei hoher Dichte noch effizient Photosynthese betreiben, wie Kato und sein Team berichten. Einer der Gründe dafür ist der einfache, aber stark mit dem Tag-Nacht-Wechsel synchronisierte Zellzyklus. „Dies verhindert ein Aufstauen des photosynthetischen Elektronenflusses, weil Licht- und Dunkelzyklus effizient getrennt sind“, erklären die Forschenden.

Ein weiterer Grund ist die hohe Toleranz der Alge selbst gegenüber starkem Lichteinfall. Sie besitzt ein Gen, das ihr die Anpassung an starke Sonneneinstrahlung und entsprechend hohe Photosynthese-Raten ermöglicht. „Dies deutet darauf hin, dass diese Alge einen einzigartigen Anpassungsmechanismus an starkes Licht besitzt“, schreiben die Wissenschaftler. Auch dies könnte erklären, warum Medakamo hakoo trotz ihrer einfachen Struktur so effizient arbeitet.

Nützlich auch für uns Menschen

Dadurch könnte die neu entdeckte Mikroalge auch für uns Menschen nützlich sein: „Wegen ihrer besonderen Eigenschaften und der extrem geringen Größe kann Medakamo hakoo in hoher Zelldichte kultiviert werden“, erklärt Matsunaga. „Das macht es möglich, beispielsweise algenbasierte Lebensmittel, Bio-Treibstoffe oder Kosmetika günstig herzustellen.“ Das Forschungsteam plant bereits, diese möglichen Anwendungen näher zu erforschen.

Gleichzeitig liefert die Mikroalge aber auch wertvolle Informationen über das grundlegende Funktionieren von Pflanzenzellen und die dafür nötige Minimal-Ausstattung. „Dank dieser Studie wissen wir nun mehr darüber, wie viele Gene ein Organismus als Minimum benötigt, um zu überleben und in verschiedenen Umgebungen zu gedeihen“, erklärt Matsunaga. (Communications Biology, 2023; doi: 10.1038/s42003-022-04367-9)

Quelle: University of Tokyo

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