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Biologie

Kleine Fliegen überleben trotz schlechter Tarnung

Genauer hinschauen lohnt sich für Feinde nur bei größeren Exemplaren

Vergleich zwischen einer Schwebfliege (oben) und einer Wespe (unten) © Steve Marshall

Schwebfliegen reicht schon eine ziemlich schlechte Tarnung zum Überleben – wenn sie klein genug sind: Die kleinen Fliegen kopieren die typisch gelb-schwarzen Streifen und den Körperbau wehrhafter Wespen und Bienen viel ungenauer als ihre größeren Artgenossen. Trotzdem werden auch diese Fliegen von ihren Feinden verschont. Warum, haben jetzt kanadische Forscher herausgefunden. Demnach rentiert es sich für einen Vogel kaum, bei sehr kleinen Insekten genauer hinzusehen, denn „sie sind für Fressfeinde eine weniger lohnende Beute“, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“. Ein Vogel verschone daher auch die kleinen Fliegen, die Wespen oder Bienen nur entfernt ähneln.

„Dieser geringere Druck durch Feinde wirkt bei den kleinen Arten der Selektion für perfekte Tarnung entgegen“, schreiben Heather Penney von der Carleton University in Ottawa und ihre Kollegen. Anders sei dies bei größeren Schwebfliegen: Ein Vogel werde das Risiko, irrtümlich eine stechende Biene anstelle einer wohlschmeckenden Fliege zu erwischen, eher eingehen, wenn sich das Risiko lohne, erklären die Forscher. Dies sei besonders bei großen Beutetieren der Fall. Diese hätten es daher dringender nötig, bei der Tarnung genau zu sein.

Diese Beziehung zwischen Körpergröße und Genauigkeit der Tarntracht könne auch die verschieden guten Tarnungen bei anderen Tiergruppen erklären, meinen die Forscher. So gebe es Ähnliches auch bei einigen Froscharten und Schmetterlingen, die die Warnfarben giftiger Tiere nachahmen.

Tarntracht als Evolutionsvorteil

Schwebfliegen imitieren mit ihrem Äußeren Bienen, Wespen oder Hummeln. Diese Art der Tarnung, Mimikry genannt, gilt als Paradebeispiel dafür, wie die Evolution die Entwicklung von äußeren Merkmalen vorantreiben kann. Denn die Tarnung birgt erhebliche Vorteile für eine Art: Vögel halten die harmlosen Schwebfliegen für Bienen oder Wespen und fressen sie nicht, da sie Angst haben müssen, gestochen zu werden.

Erstaunlich nur, dass viele Schwebfliegen nur eine unvollkommene Tarnung besitzen: Sie sehen nur entfernt aus wie ihre gefährlichen Vorbilder. Um herauszufinden warum, werteten die Forscher zunächst Fotos von 35 Schwebfliegenarten aus und vergleichen dabei Farbe, Muster, Fühler- und Flügellänge sowie Körpergröße. Dabei zeigte sich: Je größer eine Schwebfliege, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie dem Tier, dass sie nachahmen wollte, zum Verwechseln ähnlich sah.

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Drei bisherige Theorien widerlegt

In ihrer Studie haben die Forscher andere Theorien, die bisher als mögliche Erklärung für unperfekte Mimikry kursierten, nach genauer Prüfung ausgeschlossen. So vermutete man zuvor, dass die schlechte Mimikry der kleinen Schwebfliegen nur für uns Menschen so nachlässig und durchschaubar wirkt. Doch ein Versuch der Wissenschaftler widerlegte dies: Trainierte Tauben fraßen bevorzugt die Fliegen, die menschliche Versuchspersonen zuvor für weniger wespenähnlich befunden hatten.

Auch die Erklärung, dass einige Schwebfliegenarten versuchen, beispielsweise gleichzeitig Bienen und Wespen nachzuahmen und daher bei beidem danebenliegen, sei nicht stimmig. Keine untersuchte Schwebfliegenart vereine typische Merkmale von zwei Vorbildern in sich, heißt es in „Nature“. Eine andere Theorie geht davon aus, dass eine ungenaue Tarnung vor allem dann auftritt, wenn sehr viele Schwebfliegen in einem Gebiet leben. Aber auch das habe sich bei den Untersuchungen nicht bestätigt, berichten die Forscher. (Nature, 2012; doi: 10.1038/nature10961)

(Nature, 22.03.2012 – BO)

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