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Biologie

Klapperschlange nutzt akustische Täuschung

Abrupter Wechsel der Rasselfrequenz gaukelt sich Nähernden eine falsche Entfernung vor

Texas-Klapperschlange
Klapperschlangen nutzen ihre Schwanzrassel, um potenzielle Fressfeinde zu warnen. Dabei setzen sie eine sie einen raffinierten akustischen Trick ein. © Tobias Kohl

Raffinierter Trick: Klapperschlangen warnen mit ihrem Rasseln nicht einfach nur – sie nutzen die Schwanzrassel auch zur akustischen Täuschung, wie nun Experimente aufdecken. Denn ab einem bestimmten Mindestabstand schaltet die Schlange vom langsam anschwellenden Rasseln abrupt auf eine höhere Rasselfrequenz um. Das erweckt beim sich nähernden Tier oder Mensch den Anschein, als wäre die Klapperschlange näher als sie es wirklich ist – und verschafft dem Reptil so eine Sicherheitsmarge.

Das laute Rasseln einer Klapperschlange ist ein klares Warnsignal: Komm nicht näher oder ich beiße zu. Sie erzeugt diese abschreckenden Laute mithilfe einer Schwanzrassel aus losen Hornschuppen, die von vergangenen Häutungen übriggeblieben sind. Bringt die Schlange ihr Schwanzende zum Vibrieren, schlagen diese Schuppen aneinander und erzeugen das Rasseln. Aus Erfahrungsberichten weiß man, dass die Klapperschlange umso schneller rasselt, je näher ihr ein potenzieller Feind kommt.

Anschwellen wie beim Auto-Parksensor

Doch hinter diesem vermeintlich simplen Warnsignal steckt noch mehr, wie nun Michael Forsthofer von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und seine Kollegen herausgefunden haben. Sie wollten wissen, wie genau sich das Rasseln bei Annäherung einer potenziellen Bedrohung verändert und was dies umgekehrt bei einem sich nähernden Lebewesen bewirkt. Im ersten Experiment bewegten sie dafür dunkle Formen oder eine Menschenfigur auf einige Texas-Klapperschlangen (Crotalus atrox) zu und variierten dabei Größen und Tempo.

Es zeigte sich: Anfangs erzeugt die Klapperschlange ein Rasseln mit niedriger, allmählich bis auf etwa 40 Hertz anschwellender Frequenz. „Es erinnert ein wenig an die akustischen Signale eines Autos beim Einparken“, erklären die Forscher. Das Tempo des Rasselns hängt dabei weniger von der Größe als vielmehr vom Abstand und dem Annäherungstempo der Bedrohung ab. Da die Schlangen sich nähernde Säugetiere normalerweise vor allem durch Bodenerschütterungen und Infrarotsignale detektieren, erscheint dies durchaus logisch.

Abrupter Wechsel in den Rassel-„Turbo“

Unterschreitet die sich nähernde Bedrohung aber einen bestimmten Abstand, schaltet die Klapperschlange einen Gang höher: Ihr Rasseln wechselt nun abrupt in eine höhere, fast gleichbleibende Frequenz von 60 bis 100 Hertz. Mit diesem Hochfrequenzrasseln scheint die Schlange die nächste Warnstufe signalisieren zu wollen – ähnlich wie der Auto-Abstandssensor vom Piepen zum Dauerton umschaltet.

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Was aber bewirkt dies beim Gegenüber? Um das herauszufinden, konfrontierten die Wissenschaftler menschliche Testpersonen in einer VR-Umgebung mit einer virtuellen Klapperschlange. Sie versetzten ihre Probanden in eine Graslandschaft, in der plötzlich das Rasseln einer im Gras versteckten Schlange ertönte. Das Rasseln schwoll entweder nur langsam an oder aber es wechselte bei einem Abstand von vier Metern abrupt in die höhere Frequenz. In beiden Fällen sollten die Testpersonen angeben, wann sie glaubten, der virtuellen Klapperschlange bis auf einen Meter nahe gekommen zu sein.

Irregeführte Abstands-Einschätzung

Das überraschende Ergebnis: Während die Testpersonen beim gleichmäßigen Rasseln den Abstand relativ gut einschätzten, war dies beim „Umschalt-Rasseln“ anders: Meist glaubten sie schon beim Wechsel der Rasselfrequenz, die Ein-Meter-Marke erreicht zu haben – obwohl die wahre Entfernung noch vier Meter betrug. Das Umschalten der Frequenz führte demnach zu einer deutlichen Fehleinschätzung des Abstands.

Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet dies darauf hin, dass die Klapperschlange eine tiefsitzende Eigenheit unserer Wahrnehmung ausnutzt: Weil wir anschwellende Lautstärke oder Frequenz als Abstandssignale interpretieren, gaukelt der plötzliche Frequenzsprung uns vor, wir wären näher als zuvor gedacht. „Der plötzliche Wechsel in den Hochfrequenzmodus täuscht den Höhrer übe die tatsächliche Entfernung zur Schallquelle“, erklärt Seniorautor Boris Chagnaud von Karl-Franzens-Universität Graz.

Akustische Täuschung

Im Prinzip nutzt die Klapperschlange damit eine raffinierte akustische Täuschung, um sich eine Sicherheitsmarge zu verschaffen. „Die akustischen Signale der Klapperschlange wurden jahrzehntelang als einfaches Warnsignal der Präsenz der Schlange interpretiert. Unsere Daten zeigen nun, dass es sich hierbei um ein weit komplexeres zwischenartliches Kommunikationssignal handelt“, sagt Chagnaud.

Vermutlich entwickelte sich dieser raffinierte Trick im Laufe der Evolution, weil die Schlangen mit diesem komplexeren Signal eher vermeiden konnten, entdeckt oder zertreten zu werden, so die Vermutung der Biologen. (Current Biology, 2021; doi: 10.1016/j.cub.2021.07.018)

Quelle: Cell Press

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