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Genetik

Käfer hat menschliche Gene

Sequenzierung des ersten Käfergenoms mit Überraschungen

Das menschliche Neurohormon entsteht im Gehirn des Käfers © Universität Marburg

Ein Schädling und wichtiger Modellorganismus der Entwicklungsbiologie hat jetzt seine Geheimnisse preis gegeben: Die jetzt in „Nature“ veröffentlichte Gensequenz des Rotbraunen Reismehlkäfers Tribolium castaneum enthüllt unter anderem, dass Tribolium sich von allen bisher untersuchten Insekten durch Gene unterscheidet, die in ähnlicher Form auch beim Menschen vorkommen.

Käfer bilden mit derzeit 350.000 beschriebenen Arten die größte Gruppe des Tierreichs. Mit Tribolium wurde nun erstmals das Genom eines Käfers komplett sequenziert. Die nur etwa drei Millimeter großen Tiere leben als Getreideschädlinge in Mehl. Die Art ist seit einigen Jahren als neues Modell in der Entwicklungsbiologie etabliert. Diese Disziplin erforscht, wie aus einem befruchteten Ei ein Organismus mit vielen Zellen entsteht, die trotz ihrer übereinstimmenden Gene ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen.

Käfer als Modellsystem

Einer der wichtigsten Modellorganismen ist die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die seit Jahrzehnten molekulargenetisch erforscht wird, wofür die Biologin Christiane Nüsslein-Volhard im Jahre 1995 einen Nobelpreis erhielt. Aber sind die Ergebnisse auch auf andere Insekten übertragbar?

Um das heraus zu finden, arbeiten Entwicklungsbiologen seit den 1990er Jahren vermehrt auch mit anderen Modellsystemen. Unter diesen gewinnt Tribolium zunehmend an Bedeutung. Der Käfer repräsentiert einen vergleichsweise ursprünglichen Insektentypus, so dass er vermutlich mehr Eigenschaften mit anderen Arten teilt als die Fruchtfliege. Denn Drosophila ist an sehr spezielle Lebensbedingungen angepasst und weist daher eine Reihe von Sondermerkmalen auf.

Menschenhormon vom Käfer produziert

Die vermuteten Unterschiede zwischen den Modellorganismen haben sich durch die Ergebnisse bestätigt, die das internationale „Tribolium Genome Sequencing Consortium“ nun vorlegt. So fanden sich bei dem Käfer eine Reihe von Genen, die man zwar in ähnlicher Form von weit entfernten Verwandten kennt – etwa von Wirbeltieren -, die Drosophila aber verloren hat.

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Umgekehrt hebt sich Tribolium mit einigen seiner Erbanlagen von allen anderen Insekten ab, die man bislang untersucht hat. Ein Beispiel hierfür sind Gene für Vasopressin-artige Verbindungen. Vasopressin ist bei Säugetieren und dem Menschen das wichtigste Neurohormon, das die Rückgewinnung von Wasser in der Niere anregt. Dieses Säugetier-typische Neurohormon wurde nun auch beim Käfer von einer internationalen Wissenschaftlergruppe identifiziert, der Professor Dr. Joachim Schachtner von der Universität Marburg angehört.

Neurohormon als Trockenheits-Anpassung?

Der Marburger Wissenschaftler beschäftigt sich mit dem Gehirn von Insekten sowie mit Molekülen, die auf das Nervensystem einwirken und dessen Funktion modulieren. „Das Vorliegen von Vasopressin bei Tribolium mag darauf zurückzuführen sein, dass der Käfer in sehr trockenen Habitaten überleben muss“, vermutet Schachtner. Eigentümlich Anpassungen wie diese könnten künftig einen Ansatzpunkt darstellen, um den Schädling gezielt zu bekämpfen.

(Universität Marburg, 25.03.2008 – NPO)

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