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Biologie

Kabeljau wird zum Klimaflüchtling

Großer Verlust von Laichgebieten im Nordatlantik bei mehr als 1,5 Grad Erwärmung

Polardorsch
Schon bei gemäßigtem KLimawandel müssen Kabeljau und Polardorsch (Bild) nach Norden in kältere Gewässer ausweichen - sonst stirbt ihr Laich. © Hauke Flores/ AW

Flucht oder Tod: Geht der Klimawandel weiter, wird es eng für den Kabeljau – einen unserer wichtigsten Speisefische. Denn schon bei leicht steigenden Meerestemperaturen können sich die Fischlarven nicht mehr entwickeln, wie nun Experimente belegen. Kommt noch eine Versauerung des Meerwassers hinzu, verstärkt sich dieser Effekt, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten. Als Folge könnte der Kabeljau aus großen Teilen des Nordatlantiks verschwinden – er zieht ins Nordpolarmeer.

Der Kabeljau (Gadus morhua), auch Dorsch genannt, ist einer der wichtigsten Speisefische in Europa und Nordamerika. Gemeinsam mit seinem nördlichen Verwandten, dem Polardorsch (Boreogadus saida), ist er jedoch auch wichtige Nahrung für arktische Robben, Seevögel und Wale. Werden diese Fische weniger oder ziehen sie sich ins hohe Nordpolarmeer zurück, wären die Folgen für die arktische Tierwelt, aber auch die Fischerei erheblich.

Zeitsprung ins Jahr 2100

Doch genau dies könnte schon bald passieren, wie nun Flemming Dahlke vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und seine Kollegen herausgefunden haben. Sie hatten erstmals untersucht, wie sich Dorschlaich und Dorschlarven in wärmerem und saurerem Meerwasser entwickeln. Normalerweise laichen beide Fischarten in eher kaltem Wasser: der Kabeljau bei fünf bis sieben Grad, der Polardorsch sogar bei 0 bis 1,5 Grad.

Für ihre Studie haben die Forscher nun Dorschlaich unter Bedingungen gehalten, wie sie im Jahr 2100 bei drei verschiedenen Klimaszenarien im Nordatlantik und arktischen Meer herrschen werden: Bei ungebremstem Klimawandel, gemäßigter Erwärmung und bei Einhalten des 1,5 Grad Klimaschutzzieles. Weil das Meerwasser durch steigende CO2-Werte der Atmosphäre auch saurer wird, passten die Wissenschaftler den jeweiligen pH-Wert des Wassers entsprechend an.

Kabeljau-Laich
Laich des Kabeljaus © Flemming Dahlke/ AWI

Drastisches Absterben der Fischeier

Das Ergebnis: „Wie sich zeigt, reagieren die Embryonen vor allem in einer frühen Phase ihrer Entwicklung empfindlich“, sagt Dahlke. Überschritt die Wassertemperatur den Optimalbereich für Kabeljau und Polardorsch, stieg die Sterblichkeit der Fischembryos deutlich. Bei neun Grad Wassertemperatur starben 48 Prozent der Fischeier des Kabeljaus ab, bei drei Grad gingen 67 Prozent der Polardorscheier verloren, wie die Forscher berichten.

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Und nicht nur das: Die Experimente ergaben auch, dass die Versauerung des Meerwassers die Temperaturtoleranz der Fischeier insgesamt einengt: „Wir sehen, dass der Kabeljaunachwuchs nicht nur auf wärmere Temperaturen empfindlich reagiert, sondern auch auf besonders kalte“, sagt Dahlkes Kollegin Daniela Storch. „Die Versauerung verstärkt diesen Effekt.“ Das aber bedeutet, dass sich auch die Meeresgebiete, in denen diese Fischarten auf Dauer überleben können, immer weiter verkleinern.

Kaum noch Kabeljau vor Island und Norwegen

Wie sich der Klimawandel konkret auf die Verbreitung und Laichgebiete von Kabeljau und Polardorsch auswirken wird, haben Dahlke und sein Team mithilfe von Klimamodellen ermittelt. An ihnen ist ablesbar, wie stark sich die Temperaturen und pH-Werte in verschiedenen Meeresgebieten verändern werden – und damit auch, wo die Fische künftig noch leben können. Schnell wurde dabei klar, dass sich die bisherigen Verbreitungsgebiete beider Fischarten nach Norden verschieben werden.

Verbreitungskarten
Temperaturveränderungen in den Lachgebieten von Kabeljau (links) und Polardorsch (rechts) © Flemming Dahlke/ AWI

Der Kabeljau wird seine bisherigen Laichgebiete im Nordatlantik bei anhaltendem Klimawandel nicht mehr halten können: „In den Gewässern vor Island und Norwegen werden bis zu 60 Prozent weniger Dorschlarven aus den Eiern schlüpfen“, berichtet Dahlke. Das wäre für die Fischerei ein großes Problem, denn bisher werden dort jährlich rund 800.000 Tonnen Kabeljau mit einem Wert von zwei Milliarden Euro gefangen. Sollte der Bestand einbrechen, wären die Verluste immens.

Schwere Zeiten für den Polardorsch

Für den Polardorsch sieht es noch finsterer aus. Diese Fischart wird sich sowohl bei ungebremster als auch bei gemäßigter Erwärmung weiter nach Norden zurückziehen. Da diese Fischart für die Überwinterung zudem auf das schwindende Meereis angewiesen ist, könnte ihr Lebensraum weiter schrumpfen.

Zudem ist unklar, inwieweit künftig der Kabeljau in das Areal des Polardorsches vordringen wird. Weil er größer und aggressiver ist als sein nördlicher Verwandter, könnte er diesen dann verdrängen, wie die Forscher erklären. Sollten die Bestände des Polardorsches jedoch einbrechen, wäre dies vor allem für die arktische Tierwelt fatal. Denn diese Fischart bildet für viele Robben, Seevögel und Wale die Nahrungsgrundlage.

Klimaziel 1,5 Grad könnte dies verhindern

Eine gute Nachricht gibt es jedoch: „Bei Erreichen der Klimaziele von 1,5 Grad kann das Schlimmste verhindert werden. Wichtige Laichgebiete blieben erhalten und damit würden die Risiken für beide Arten minimiert“, sagt Storch. Dafür allerdings müsste der Klimaschutz erheblich verstärkt werden und die Treibhausgas-Emissionen schnell und effektiv verringern – und bisher sieht es nicht so aus, als wenn dies gelänge: Die Treibhausgase in der Atmosphäre erreichten 2017 neue Rekordwerte. (Science Advances, 2018;  doi: 10.1126/sciadv.aas8821)

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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