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Biologie

Irdisches Leben bevorzugt XXS und XXL

Die meiste Biomasse stammt von mikroskopisch kleinen und sehr großen Organismen

Lebewesen
Wenn es um den Anteil an der irdischen Biomasse geht, liegen viele der bekanntesten Lebewesen weit hinten. © drmakkoy/ Getty images

Überraschende Entdeckung: Auf unserem Planeten dominieren die winzig kleinen und die riesig großen Lebewesen – diese beiden Größenextreme machen den Großteil der irdischen Biomasse aus, wie nun eine Studie enthüllt. Diese vor allem an Land deutliche Dominanz der Extreme widerspricht der gängigen Theorie zum Größenspektrum von Organismen – warum, ist unklar. Interessant auch: Die größten Vertreter von so unterschiedlichen Gruppen wie den Pilzen, Bäumen oder Meeressäugern sind alle ähnlich schwer.

Die irdische Lebenswelt umfasst eine enorme Vielfalt an unterschiedlich großen Organismen – die Spanne reicht von zehn Trillionstel Gramm leichten Nanobakterien bis zu tonnenschweren Giganten wie dem Blauwal, den Riesenmammutbäumen oder dem unterirdischen Hyphengeflecht mancher Pilze. Auf den ersten Blick gibt es dabei deutlich mehr kleinere Organismen als größere. So kommen beispielsweise auf jeden Menschen rund 2,5 Millionen Ameisen und allein im Untergrund der Kontinente leben gut 100 Quadrillionen Mikroben.

Stimmt die Größenspektrum-Theorie?

Doch wie sieht es bei der Biomasse aus? Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Lebenswelt dabei einem klaren mathematischen Gesetz folgt: der schon in den 1970er Jahren aufgestellten Größenspektrum-Theorie. Nach dieser enthält jede Größenklasse von Organismen global gesehen ungefähr gleichviel Biomasse. Je größer ein Lebewesen ist, desto weniger Exemplare gibt es deshalb von ihm. Für Tiere im Ozean scheint diese Formel auch zu stimmen, wie Forschende im Jahr 2021 ermittelten.

Aber ob die Größenspektrum-Theorie auch auf die gesamte irdische Lebenswelt zutrifft, wurde bisher nur vermutet. Deshalb haben Forschende um Eden Tekwa von der University of British Columbia dies erstmals umfassend untersucht. Fünf Jahre lang sammelten sie dafür Daten zur Häufigkeit, Körpergröße und Biomasse verschiedener Organismengruppen – von den Archaeen der tiefen Biosphäre über terrestrische Organismen bis zu Lebewesen im Wasser und in der Luft.

Biomasseverteilung
Biomasseanteile verschiedener Größenklassen von Lebewesen. Dominierend sind große Organismen wie Bäume, Gräserkolonien und Mangoven sowe Winzlinge wie die unterirdischen Mikroben. © Tekwa et al./ PLoS ONE, CC-by 4.0

Es dominieren die Extreme

Das überraschende Ergebnis: Die Biomasse ist keineswegs gleichmäßig über die Größenklassen der Organismen verteilt. Stattdessen dominieren die Extreme. „Kleine Lebewesen mit rund einem Milliardstel Gramm Körpermasse wie Bakterien und Archaeen und große von rund zehn Tonnen übertreffen mittlere Größen in puncto Biomasse bei weitem“, berichten Tekwa und sein Team. Die Verteilung der Biomasse auf die Größenklassen ähnelt dadurch einer zweigipfeligen Kurve ähnlich einem U.

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„Das Leben kommt vorwiegend in den kleinsten und größten Packungsgrößen daher – das hat uns wirklich überrascht“, sagt Koautor Malin Pinsky von der Rutgers University. „Uns erscheint es oft so, als wenn Mücken, Fliegen oder Ameisen die Welt regieren, aber in unseren Berechnungen stellten wir fest, dass unsere Welt stattdessen von Mikroben und Bäumen dominiert wird.“ Tekwa ergänzt: „Dies scheint ein zuvor unerkanntes Muster zu sein. Aber bisher haben wir keine Theorien, die dies erklären können.“

Unterschiede zwischen Land und Meer

Die Analysen enthüllten zudem, dass sich die Biomasseverteilung an Land und in den Ozeanen unterscheidet. Demnach ist die Dominanz der Extreme bei terrestrischen Organismen deutlich stärker ausgeprägt. In den Meeren scheint die Lebenswelt dagegen fast der klassischen Größenspektrum-Theorie zu folgen. Tekwa und seine Kollegen vermuten, dass dies vor allem mit Unterschieden in der Pflanzenwelt zusammenhängt: Im Ozean gibt es kaum Pflanzen von der Größe und Masse der Bäume.

Interessant auch: Betrachtet man die größten Vertreter aller Organismengruppen, dann bewegt sich ihre Körpermasse trotz aller sonstigen Unterschiede im gleichen Bereich: Die jeweils schwersten Baumarten, Pilz-Netzwerke, Mangroven, Meeressäuger oder Riffkorallen bringen selten mehr als rund ein Dutzend Tonnen auf die Waage. „Das könnte darauf hindeuten, dass es eine universelle Obergrenze gibt, die durch ökologische, evolutionäre oder biophysikalische Schranken vorgegeben wird“, sagt Tekwa.

Und der Mensch?

Und wie sieht es mit uns Menschen aus? In der Kategorie der Körpergrößen gehören wir schon zu den großen Organismen. Unter den landlebenden Säugetiere liegen wir Menschen mit rund 390 Millionen Tonnen einsam an der Spitze, wie ein Forschungsteam kürzlich ermittelte. Doch gemessen am Biomasseanteil der Winzlinge und Giganten auf unserem Planeten fallen wir buchstäblich kaum ins Gewicht.

Das ändert allerdings nichts daran, dass wir überproportional stark in das Schicksal aller anderen irdischen Organismen eingreifen: „Die Biomasse aller Fische ist beispielsweise nur noch halb so groß wie sie vor Ankunft des Menschen war“, sagt Tekwa. Umso wichtiger sei es, den Istzustand der Natur möglichst genau zu erfassen, denn nur so lassen sich vergangene und zukünftige Veränderungen erkennen.

„Körpergröße ist ein fundamentaler Parameter des Lebens, die alles beeinflusst – von der Stoffwechselrate über die Vermehrung bis zu den Generationszeiten“, sagt Pinsky. „Indem wir katalogisieren, welche Körpergrößen wie häufig sind, verstehen wir auch die Welt um uns herum immer besser.“ (PLoS ONE, 2023; doi: 10.1371/journal.pone.0283020)

Quelle: University of British Columbia, Rutgers University

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