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Umwelt

Insektizide lassen Wassertiere verhungern

Die Folge schleichender Vergiftung mit Neonicotinoiden wird in gängigen Tests nicht erfasst

Ein Bachflohkrebs (Gammarus pulex) © Eawag

Gerade erst sind die als bienenschädlich entlarvten Neonicotinoide in der EU zum Teil verboten worden. Jetzt haben Schweizer Forscher festgestellt, dass diese Insektizide entgegen bisherigen Annahmen auch für Kleinkrebse und andere Wassertiere giftig sind. Das Nervengift stört schon bei geringen Konzentrationen die Bewegung und Nahrungsaufnahme der Krebse. Hält die Pestizidbelastung länger an, verhungern sie daher. Diese Langzeitfolge wird von den gängigen Toxizitätstests nicht erfasst, weil diese nur die kurzfristigen Folgen prüfen, warnen die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“.

Die Hinweise auf zuvor unentdeckte, schleichende Giftwirkungen der Neonicotinoide mehren sich: Erst Ende April beschloss die EU-Kommission den Einsatz dieser Pestizide für vorerst zwei Jahre stark einzuschränken. Sie dürfen nun nur noch bei bestimmten Pflanzen eingesetzt werden, die als nicht attraktiv für Bienen gelten. Denn Studien hatten gezeigt, dass die Neonicotinoide unter anderem die Orientierung der Bienen stören und so für das Bienensterben mitverantwortlich sein könnten. Über den Regen gelangen die Pestizide aber auch in den Boden und darüber in Seen du Flüsse.

Erholung nach kurzzeitigen Pestizid-Schwemmen

Bisher galten die Neonicotinoide zumindest in niedrigen Dosierungen als für wirbellose Wassertiere noch weitgehend unschädlich: Bachflohkrebse (Gammariden), die kurzzeitig erhöhten Konzentrationen dieser Pestizide ausgesetzt werden, bewegen sich zwar weniger und fressen auch nicht mehr so viel. Sinkt der Giftgehalt des Wassers dann aber wieder ab, erholen sie sich rasch wieder. Solche kurzzeitigen Belastungsspitzen treten typischerweise auf, wenn während oder kurz nach einer Anwendung der Mittel auf den Feldern Regen fällt und ein Teil der gut löslichen aber schwer abbaubaren Stoffe in Oberflächengewässer abgeschwemmt wird.

Wie es sich aber auswirkt, wenn die Kleinkrebse einer zwar nur sehr niedrigen, aber dafür dauerhaften Belastung durch die eingeschwemmten Pestizide ausgesetzt sind, war bisher unklar. Forscher des Schweizer Wasserforschungs-Instituts Eawag haben dies daher nun getestet. Sie setzten dafür Bachflohkrebse der Art Gammarus pulex sowohl erhöhten Puls-Konzentrationen als auch schwachen Langzeitkonzentrationen aus.

Schleichende Vergiftung lässt Krebse verhungern

Während sich die Krebse nach der Kurzzeit-Belastung wie erwartet wieder erholten, waren die Folgen für die schleichend vergifteten Krebse dramatischer: Weil das Nervengift die Fortbewegung und Nahrungsaufnahme der Tiere störte, fraßen sie zu wenig. Dadurch waren sie nach zwei bis drei Wochen verhungert. Die Tests zeigten auch, dass das Ausmaß der Folgen stark von der Jahreszeit und der Umgebung der Tiere abhängt: Hatten sie zu Beginn der Belastung noch viele Fettreserven und waren sehr fit, überlebten sie eher als nach einem ohnehin nahrungsarmen Winter.

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Wie die Forscher erklären, wird das langsame Verhungern der Krebse unter einer zwar relativ geringen aber andauernden Belastung mit Neonicotinoiden von den bisher gängigen Toxizitätstests nicht erfasst. Denn diese prüfen nur die Reaktion der Tiere auf eine kurzzeitige Belastung, testen aber nicht über mehrere Wochen hinweg. Um dieses Manko auszugleichen haben die Eawag-Wissenschaftler basierend auf ihren Ergebnissen ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem sich vorhersagen lässt, welche Konzentrationen über wie lange Zeit für die Organismen schädlich sind. (PLoS ONE, 2013; doi:10.1371/journal.pone.0062472)

(EAWAG: Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology, 16.05.2013 – NPO)

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