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Neurobiologie

Insekten: Riechrezeptoren arbeiten als Tandem

Doppelpack bringt mehr Leistung

Bei den Fruchtfliegen sind immer zwei Duftrezeptoren im Doppelpack aktiv. © RUB

Insekten riechen Düfte anders als Wirbeltiere: Bei ihnen arbeiten die Riechrezeptoren nur im Doppelpack. Diese spektakuläre Entdeckung machte die Forschergruppe um Professor Hanns Hatt. Die Biologen konnten nachweisen, dass erst die Kopplung von zwei Rezeptoren zu einer funktionsfähigen Struktur führt.

Das den Duft erkennende spezifische Rezeptorprotein bildet ein Tandem mit einem allgemein vorkommenden Riechrezeptorprotein, wodurch die Empfindlichkeit für Duftmoleküle tausendmal höher wird. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von „Nature Neuroscience“.

Rätselhafter zweiter Rezeptor in jeder Riechzelle

Seit den Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger Linda Buck und Richard Axel ist bekannt, dass bei Insekten das Riechen ähnlich funktioniert wie bei allen Wirbeltieren bis hin zum Menschen: Duftstoffmoleküle werden von spezifischen Riechrezeptorproteinen erkannt, die in der Riechzelle einen Signalweg aktivieren, der zur Zellerregung führt.

Den ersten Insekten-Rezeptor, den „Marzipan“-Rezeptor (DOR43a), konnten die Bochumer Forscher vor drei Jahren charakterisieren. Im Gegensatz zu Wirbeltieren, bei denen in jeder Riechzelle nur ein Typ dieser Rezeptorproteine existiert, kommt bei Insekten aber noch ein zweites Rezeptorprotein (DOR83b) vor. Es ist in allen Riechzellen der Fruchtfliege identisch und selbst bei unterschiedlichen Insektenarten in seiner Struktur sehr ähnlich. „Die Funktion dieses zweiten, allgemein vorkommenden Riechrezeptors war bisher völlig unbekannt“, so Prof. Hatt, „alle Versuche, ein passendes Duftmolekül zu diesem Rezeptor zu finden, schlugen fehl.“

Die Ergebnisse der Bochumer Biologen lösen nun das Rätsel um den zweiten Rezeptor: Das in allen Riechsinneszellen der Fruchtfliege vorkommende unspezifische Rezeptorprotein (DOR83b) lagert sich mit dem spezifischen Rezeptor im Doppelpack zusammen, es bildet ein so genanntes Dimer. So trägt es dazu bei, dass das spezifische Rezeptorprotein eine drastisch erhöhte Affinität zu Duftmolekülen bekommt. Dies führt zu einer enormen Verbesserung der Riechleistung von Insekten.

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Von Bildgebung bis Gentechnik

Für diese Erkenntnis waren verschiedene gentechnologische, biochemische, bildgebende und elektrophysiologische Techniken notwendig: Die Kopplung der beiden Proteine ließ sich mit der so genannte Biolumineszenz-Resonanz-Energie-Transfer (BRET) beweisen. Dabei koppelte Hatts Mitarbeiterin Eva Neuhaus zwei Proteine mit verschiedenen fluoreszierenden Farbstoffen. Je nach räumlicher Entfernung senden die beiden Farbstoffe ein Leuchten mit einer charakteristischen Lichtwellenlänge aus, aus der man auf die Interaktion der beiden Proteine rückschließen kann. Weiy Zang machte sich die Eigenschaft von Riechrezeptoren zunutze, bei Aktivierung die Calciumkonzentration in der Zelle zu erhöhen. Mit Hilfe von Calcium-sensitiven Farbstoffe konnte sie life und in Echtzeit die physiologische Antwort der Riechrezeptoren auf einen Duftstoff quantitativ und qualitativ erfassen.

Geruchssinn von Insekten gezielt ausschalten

Günter Gisselmann gelang es, die biologische Funktion des in jeder Riechzelle vorkommenden Rezeptorproteins durch selektive Ausschaltung des verantwortlichen Gens zu bestimmen (sog. dsRNAi-Technik). Dazu schleuste er in die Eizelle von Fliegen eine veränderte Erbinformation ein, die dazu führt, dass ein bestimmtes ausgewähltes Gen (in unserem Falle für den generellen Riechrezeptor DOR83b) selektiv „stillgelegt“ wird. Durch Verhaltenstests und elektrophysiologische Strommessungen der Sinnesorgane der Fliegen konnte dann Prof. Klemens Störtkuhl zeigen, dass Fruchtfliegen, bei denen dieses unspezifische Rezeptorprotein fehlt, Düfte wie den Marzipanduft nur noch sehr schlecht oder gar nicht mehr wahrnehmen können.

Basis für neue Insektizide

„Mit diesen Methoden ist es uns nicht nur gelungen, einen neuen molekularen Wirkmechanismus der Dufterkennung für Nicht-Wirbeltiere nachzuweisen und so einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung zu leisten“, zieht Hatt Bilanz. „Die Ergebnisse könnten auch weitreichende Konsequenzen für die Herstellung neuer Insektizide haben.“ Sollte es gelingen, das unspezifische Rezeptorprotein durch pharmakologische Eingriffe auszuschalten, wäre dies ein äußerst effektiver Weg, die Wahrnehmung aller Düfte drastisch zu reduzieren.

„Wenn man an die Schäden denkt, die die Heuschreckenplage kürzlich wieder in Europa und Afrika verursacht hat, könnte eine effektive Störung des Geruchssinns dieser Tiere enorme wirtschaftliche Bedeutung erlangen“, so Hatt.

Die Welt der Gerüche der Insekten

Bei Insekten spielt der Geruchssinn eine zentrale Rolle. Mithilfe ihrer hoch spezialisierten und empfindlichen Riechorgane können sie Nahrung finden, sich orientieren oder einen Sexualpartner erkennen. Die Riechrezeptoren sprechen dabei hoch empfindlich auf Blütendüfte oder Pheromone an. Insekten verfügen über 50 bis 100 verschiedene Riechrezeptoren, von denen jeder einzelne ein definiertes Spektrum an chemischen Duftmolekülen erkennen kann. Die Wechselwirkung eines Duftstoffes mit dem Rezeptor in der Membran der Riechzelle führt zur Aktivierung einer Signalverstärkungskaskade im Zellinneren, die im Detail bisher noch nicht aufgeklärt ist. Am Ende steht der Einstrom positiv geladener Teilchen in die Zelle, der so genannte Sensorstrom, der bei entsprechender Stärke bis in das Insektengehirn weitergeleitet wird und dort die Reaktion der Tiere auslöst.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 04.01.2005 – DLO)

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