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Neurobiologie

Innere Uhr von Frauen und Männern tickt verschieden

Chronotyp und Störungsanfälligkeit des Tag-Nacht-Rhythmus unterscheiden sich

Innere Uhr
Männer und Frauen unterscheiden sich auch in Bezug auf ihre innere Uhr. © Narith, Deagreez/ iStock.com

Anderer Takt: Die inneren Uhren von Frauen und Männern sind nicht gleich – es gibt subtile Geschlechtsunterschiede im Biorhythmus, wie nun eine Überblicksstudie bestätigt. Demnach haben Frauen einen ausgeprägteren Tag-Nacht-Rhythmus und sind morgens früher aktiv. Nachts haben sie dafür mehr Schwierigkeiten, kognitive Aufgaben zu lösen. Männer reagieren dagegen stärker auf Schlafmangel und Jetlag – unter anderem mit Heißhunger, wie Forscher in „Science“ berichten.

Die innere Uhr ist der wichtigste Taktgeber unseres Lebens: Sie prägt unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, aber auch den täglichen Zyklus unseres Stoffwechsels, der Hormone und unserer Immunabwehr. Verschiebt sich unser Tag-Nacht-Rhythmus – beispielsweise durch Jetlag oder Schichtarbeit – hat dies erhebliche Folgen für das sensible Gleichgewicht unserer Körperfunktionen und damit auch unsere Gesundheit. Die Folge kann unter anderem eine erhöhte Anfälligkeit für Depressionen, Übergewicht, Diabetes und Krebs sein.

Welche Rolle spielt das Geschlecht?

Doch die innere Uhr „tickt“ nicht bei allen Menschen gleich – und das hat auch etwas mit dem Geschlecht zu tun, wie nun Sean Anderson und Garret FitzGerald von der University of Pennsylvania in Philadelphia aufzeigen. „Jüngste Studien zu Menschen und Tieren demonstrieren, wie sich die für die zirkadianen Rhythmen zuständigen Systeme zwischen den Geschlechtern unterscheiden“, erklären sie. „Und das hat potenzielle Konsequenzen für unsere Gesundheit und die Resilienz gegenüber Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus.“

Erste Hinweise auf Unterschiede in der inneren Uhr lieferten schon vor einiger Zeit Studien mit Mäusen. In ihnen stellten Forscher fest, dass die weiblichen Tiere einen stärker ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus zeigten und morgens früher aktiv waren als die Männchen. Auch die Aktivität der Darmflora und bestimmter Organ-Gene unterschieden sich je nach Tageszeit zwischen den Geschlechtern.

Ob es ähnliches auch beim Menschen gibt, haben Wissenschaftler inzwischen in einer Reihe von großangelegten Studien überprüft.

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Frauen schlafen mehr und besser

Das Ergebnis: Auch bei uns ticken die Uhren von Frauen und Männern verschieden. So enthüllte der Aktivitätsvergleich von insgesamt 91.000 Versuchspersonen, dass Männer geringere Unterschiede zwischen ihrer Tages- und Nachtaktivität zeigen. Frauen schlafen im Schnitt mehr und schütten abends auch mehr von dem Schlafhormon Melatonin aus. Werden sie nachts gestört, reagieren sie weniger anfällig und schlafen schneller wieder ein.

Unterschiede gibt es auch im Einfluss der inneren Uhr auf das Essverhalten und den Energiestoffwechsel: Stören Schichtarbeit oder Jetlag den Tag-Nacht-Rhythmus bei Frauen, schüttet ihr Körper mehr Hungerhormon Ghrelin und weniger Sättigungshormon Leptin aus. Dadurch bleibt das Sattheitsgefühl aus. Bei Männern verändern sich diese Hormone zwar kaum, dennoch empfinden sie einen verstärkten Heißhunger auf besonders kalorienreiches Essen – das typische Junkfood.

Männer sind häufiger Eulen, Frauen eher Lerchen

Und auch der Chronotyp beider Geschlechter unterscheidet sich, wie unter anderem eine Studie mit 53.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern enthüllte. „Während Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht noch typische Morgenmenschen sind, entwickeln sich Jungen nach der Pubertät eher zu Nachteulen“, berichten Anderson und FitzGerald. Frauen dagegen neigen eher dazu, frühaufstehende Lerchen zu bleiben.

Zumindest für einige dieser Unterschiede könnte es eine naheliegende biologische Erklärung geben: die Mutterrolle der Frauen. Wenn sie den Nachwuchs in den ersten Lebensmonaten mit Muttermilch versorgen, sind häufige nächtliche Schlafunterbrechungen die Regel. „Eine Resilienz gegenüber diesen Störungen, gekoppelt mit der Fähigkeit, trotzdem gut zu schlafen, könnte Frauen die Anpassung an diese Phase erleichtern“, so Anderson und FitzGerald.

Auf ähnliche Weise könnte sich auch die Tendenz zum frühen Chronotyp bei weiblichen Säugetieren und Menschen entwickelt haben: Weil Kinder ebenfalls frühaufstehende Lerchen sind, ist es von Vorteil, wenn sich die innere Uhr der Mütter an diesen Aktivitätsrhythmus angleicht, wie die Forscher erklären.

Und was sind die Folgen?

Unklar ist allerdings bislang, ob und wie sich diese Unterschiede in der inneren Uhr auf die Gesundheit von Frauen und Männern auswirken. Stimmt die Hypothese, dass Frauen unempfindlicher gegenüber Störungen ihres Tag-Nacht-Rhythmus sind, dann müsste sich das auch auf ihre Organe, den Stoffwechsel und die Gesundheitsfolgen von Schichtarbeit und Jetlag auswirken.

Ob das wirklich so ist, ist bisher aber noch kaum untersucht. Hier seien in Zukunft dringend Studien nötig, betonen Anderson and FitzGerald. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abd4964)

Quelle: AAAS, Science

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