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Medizin

Hungrige Immunwächter sind bissiger

Ernährung hat direkten Einfluss auf das Immunsystem

Biomediziner vom LIMES-Institut der Uni Bonn (links im Bild: Professor Dr. Michael Hoch) haben einen Immunmechanismus entdeckt, der über den so genannten Insulinsignalweg direkt an den Stoffwechsel-Status gekoppelt ist. © Frank Homann, Uni Bonn

Hunger kurbelt das Immunsystem an: Forscher haben festgestellt, dass der Körper in Hungersituationen vermehrt antimikrobielle Peptide ausschüttet, um sich zu schützen. Dieser jetzt in „Nature“ neu beschriebene elementare Mechanismus ist der normalen Immunreaktion vorgeschaltet und reguliert im gesunden Menschen lebenswichtige Immunfunktionen.

Gute Keime, schlechte Keime

wie Lunge und Haut befinden sich Billionen von Bakterien. Der überwiegende Teil dieser Mikroorganismen lebt seit Jahrmillionen in guter Nachbarschaft mit unseren Körperzellen. Mehr noch: Die komplexe Lebensgemeinschaft aus verschiedensten Mikroorganismen versorgt uns mit wichtigen Naturstoffen, wie zum Beispiel dem Vitamin B12. Dabei tauchen unter den zahlreichen friedfertigen Bakterien jedoch immer wieder einige Störenfriede auf, die uns krank machen können. In dieser Situation – noch bevor die pathogenen Keime in den Körper eindringen – tritt ein Mechanismus in Kraft, der völlig unabhängig von den klassischen Immunabwehrsystemen wirkt.

Peptide als schnelle Eingreiftruppe

Wissenschaftler vom LIMES-Institut der Universität Bonn haben nun entdeckt, dass bei einem niedrigen Insulinlevel der so genannte FOXO-Transkriptionsfaktor aktiviert wird. FOXO schaltet bei Energiebedarf Gene für Abwehrproteine an. Diese antimikrobiellen Peptide (AMP) – nicht zu verwechseln mit Antikörpern – werden daraufhin aus den Körperzellen ausgeschleust. Sie zerstören mögliche Krankmacher, indem sie deren Zellwände auflösen.

Die Biomediziner zeigten an Fruchtfliegen, aber auch an menschlichem Gewebe, dass dieses natürliche Immunabwehrsystem über den so genannten Insulinsignalweg direkt an den Stoffwechsel-Status gekoppelt ist. Wenn wir längere Zeit nichts gegessen haben oder viele Treppen steigen müssen, sinkt das Energieniveau der Zellen und damit auch der Insulingehalt.

Hunger kurbelt Abwehrmechanismus an

„Das findet jeden Tag zu jeder Minute statt“, erklärt Studienleiter Professor Michael Hoch vom LIMES-Institut. „Faszinierend dabei ist, dass eine Funktion des Immunsystems direkt abhängig davon ist, wie viel und was wir essen.“ In Hungersituationen, die für die Körperzellen Stress bedeuten, schütte der Körper vorsichtshalber vermehrt antimikrobielle Peptide aus, um sich zu schützen. „Die Barriere zwischen Körper und Außenwelt wird wohl in einer möglichen Gefahrensituation gestärkt, in der wir zu wenig Energie haben“, vermutet Professor Hoch.

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FOXO und die antimikrobiellen Peptid-Gene, die es anschaltet, gibt es in fast allen Tiergruppen. Die Forscher glauben darum, dass die direkte Kopplung des Nahrungsangebots mit der immunologischen Abwehr wahrscheinlich schon früh in der Evolution vielzelliger Organismen entstanden ist.

Zusammenhänge zu Volkskranksheiten und Lebensdauer

Die Untersuchungen der Bonner Biologen könnten auch klinische Relevanz haben. Denn eine Reihe von Volkskrankheiten wie Diabetes Typ II oder Fettleibigkeit (Adipositas) resultieren aus einer erhöhten Kalorien¬aufnahme. Außerdem gehen derartige Krankheiten häufig mit vermehrten Entzündungen der Barriere-Gewebe, einem gestörten Immunsystem und einer insgesamt verkürzten Lebensspanne einher. „Unsere Ergebnisse liefern neue Ansatzpunkte zum Verständnis dieser Erkrankungen“, erklärt Professor Joachim Schultze vom LIMES-Institut, der auch an der Studie beteiligt war.

Der Blick der LIMES-Forscher richtet sich denn auch als nächstes auf den Zusammenhang zwischen Kalorienaufnahme und Lebensdauer. Untersuchungen an Fadenwurm, Fruchtfliege und Maus haben gezeigt, dass eine reduzierte Kalorienaufnahme die Lebensspanne verlängern kann. Hoch: „Wir wollen nun herausfinden, ob dies auf eine Foxo-abhängige Verbesserung der Barriere-Funktionen des natürlichen Immunsystems zurückzuführen ist.“

(Universität Bonn, 21.01.2010 – NPO)

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