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Genetik

Hunde: Immun-Gen steuert Fellfarbe

Beta-Defensin-Funktion weitaus vielfältiger als gedacht

Ein Immun-Gen steuert die Fellfarbe der Hunde © SXC

Säugetiere nutzen fast alle die gleichen Gene, um die Farbe ihres Fells zu bestimmen. Nur die Hunde nicht. Erst jetzt haben Wissenschaftler die Gensequenz dingfest gemacht, die unserem beliebtesten Haustier schwarzes oder helles Fell verleiht. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, scheint das resultierende Protein aber noch weitere nützliche Funktionen zu besitzen.

Schon seit Anfang des 20.Jahrhunderts ist bekannt, dass die meisten Säugetiere ein und denselben genetischen Mechanismus nutzen, um die Farbe ihrer Körperbehaarung zu regulieren. In den 1950er-Jahren jedoch keimte in den ersten Forschern der Verdacht, dass Hunde in dieser Beziehung eine Extrawurst braten. Seitdem waren sie auf der Suche nach dem hundespezifischen Mechanismus.

Hündische Speichelproben

Jetzt haben Greg Barsh und Sophie Candille von der Stanford University School of Medicine endlich das Gen identifiziert. Dafür hatte Candille, Erstautorin der Studie, sechs Monate lang hunderte von DNA-Proben durch Abstriche der Mundschleimhaut von Hunden gesammelt und analysiert. „Für die Hunde ist das schmerzlos“, erklärt die Forscherin.

Begonnen hatte Candille zunächst mit Boxern und Münsterländern unterschiedlicher Fellfärbungen. Schnell identifizierte sie eine Genregion, die sich bei diesen jeweils unterschied. Dann nahm sie 36 weitere Hunderassen in die Untersuchung mit auf. „Die Analyse innerhalb einer Rasse hilft, schnell die grobe Region zu finden, aber erst wenn man sich unterschiedliche Rassen anschaut, kann man das genaue Gen finden“, erklärt Candille.

Vermeintliches Immun-Gen als Farbgeber

Zu ihrer Überraschung identifizierte sie ein Gen, dass bereits in ganz anderem Zusammenhang bekannt war: Es kodiert das Protein Beta-Defensin, das eine wichtige Rolle in der Immunabwehr gegen Infektionen spielt. Bei den Hunden jedoch schienen verschiedene Versionen dieses Gens auch die Fellfarbe zu beeinflussen, eine erzeugt gelbes, eine andere schwarzes Fell. Offenbar kontrolliert das Protein auch den Melanokortin-Stoffwechselweg, einen Schaltkreis von molekularen Wechselwirkungen, der bestimmt, welchen Typ des Pigments Melanin gebildet wird.

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Proben der Mundschleimhaut zahlreicher Hunderassen lieferten den Forschern die DNA © Stanford University Medical Center

Chris Kaelin, Kollegin von Candille, prüfte nach, ob das Defensin-Gen wirklich auf das Fell wirkt, indem sie die jeweiligen Genmutanten in transgene Mäuse einschleuste. Und tatsächlich entwickelten die Mäuse mit der „Schwarz-Variante“ des Gens wie auf Kommando schwarzes Fell. Praktischerweise reichen bereits zwei Varianten dieses Gens bereits aus, um alle Fellfarben hervorzurufen: „Ein Dalmatiner ist weiß mit schwarzen Punkten, aber genetisch gesehen ist er rein schwarz“, erklärt Barsh. „Hunde, die schokoladenbraun sind, sind ebenfalls nur eine Modifikation des schwarzen. Beigefarbene Pudel oder rostfarbene Irische Setter dagegen sind genetisch betrachtet gelb.“

Gen-Familie mit großer Funktionenvielfalt

Doch die Bedeutung dieses Ergebnisses reicht weit über die Fellfarbe hinaus. Denn da das Beta-Defensin-Gen zu einer ungewöhnlich großen und vielseitigen Genfamilie gehört, eröffnet diese neuentdeckte „Multitasking-Fähigkeit“ auch neue Einblicke in die Funktionen dieser Gene.

„Die wichtigste Beobachtung dieser Studie ist, dass wir bisher immer nur an einer Stelle nach den Aufgaben und Funktionen der Defensine gesucht haben, weil die Familie schon so suggestiv benannt wurde“, erklärt Barsh. „Doch in Wirklichkeit haben wir eigentlich sehr wenig Belege dafür, dass die Defensine in der Abwehr sehr aktiv sind. Der genetische Ansatz deutet eher darauf hin, dass die Defensine zusätzliche oder alternative Funktionen außerhalb des Immunsystems besitzen.“

Barsh und seine Kollegen wollen nun herausfinden, welche Funktionen speziell die menschlichen Defensine besitzen. „Die Mitglieder dieser Molekülfamilie sind voneinander sehr verschieden“, so Kaelin. „Daher haben sie das Potenzial, auch eine große Anzahl von verschiedenen Rollen einzunehmen.“

Längerfristig könnten diese Erkenntnisse auch zur Entwicklung von maßgeschneiderten Wirkstoffen führen: „Wenn man an personalisierte Medizin und individuelle Behandlungen basierend auf der Gensequenz denkt, ist es der erste Schritt zu fragen, wie die Unterschiede in unserem Genom unseren Phänotyp beeinflussen“, so Barsh. „Und da es nur sehr wenige Gene gibt, die so viele Variationen aufweisen, könnte dies ein guter Ansatzpunkt für weitere Forschung sein.“

(Stanford University Medical Center, 02.11.2007 – NPO)

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