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Klima

„Humboldts Berg“ zeigt Klimawandel-Folgen

Höhenstufen am Chimborazo sind seit 1802 um 500 Meter nach oben gerückt

Den 6.268 Meter hohen Chimborazo bestieg schon Alexander von Humboldt © Naia Morueta-Holme

Auf Humboldts Spuren: Forscher haben erstmals verglichen, wie sich die Pflanzenwelt auf dem Berg Chimborazo in Ecuador seit Humboldts Expedition im Jahr 1802 verändert hat. Das Ergebnis: Der Klimawandel hat sich bereits unerwartet stark auf die Bergvegetation ausgewirkt. Um rund 500 Meter haben sich die Höhenstufen der Vegetation dank des wärmeren Klimas inzwischen bergauf verschoben – für die Tropen und eine so kurze Zeit ist das enorm viel, wie die Forscher betonen.

Diese Abbildung kennen viele aus dem Geogerafieunterrricht: Ein Berg, auf dem die typischen Höhenstufen der Vegetation eingezeichnet sind. Ihre Abfolge zeigt, wie das Gebirgsklima den Lebensraum der Pflanzen beeinflusst. Für die Anden gehen diese Höhenstufen auf einen der berühmtesten Universalgelehrten und Forschungsreisenden überhaupt zurück: auf Alexander von Humboldt.

Expedition auf den Vulkan

Während seiner Reisen nach Südamerika besteigt Humboldt mehrfach den 6.268 Meter hohen Vulkan Chimborazo in Ecuador und zeichnet detailliert auf, welche Pflanzen auf welcher Höhe wachsen und unter welchen Bedingungen. „Humboldts Tableau und die begleitenden Beschreibungen sind der weltweit älteste Datensatz zur Vegetation entlang von Höhengradienten“, sagt Seniorautor Jens-Christian Svenning von der Universität Aarhus.

Alexander von Humboldt und Aime Bonpland am Fuß des Vulkans Chimborazo. © historisch (Friedrich Georg Weitsch, 1810)

Humboldts Aufzeichnungen boten den Forscher nun die einzigartige Chance zu untersuchen, wie sich die tropische Pflanzenwelt in den letzten 200 Jahren verändert hat. Für ihre Studie wandelten sie daher buchstäblich auf den Spuren des Naturforschers: Sie bestiegen ebenfalls den Chimborazo und kartieren ab 3.800 Meter aufwärts alle hundert Höhenmeter die an den Berghängen wachsende Pflanzenwelt. Ihr Ziel: Sie wollten wissen, ob die Klimaerwärmung der letzten Jahrzehnte die Höhenstufen verändert hat.

Pflanzenwelt erobert Gletscherregion

Und tatsächlich: Was die Forscher am Chimborazo vorfanden, wich sogar noch stärker von Humboldts Berichten ab als erwartet. So lag die Obergrenze der Vegetation zu Humboldts Zeiten noch bei 4.600 Metern, heute ist die Pflanzenwelt bereits in Höhen bis zu 5.185 Meter vorgedrungen.

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„Die letzte Spur der Vegetation war eine kleine, halb von Schnee bedeckte Pflanze aus der Familie der Sonnenblumen“, berichtet Erstautorin Naia Morueta-Holme. „Sie stand in voller Blüte trotz der kalten Bedingungen, der dünnen Luft und des harschen Winds.“

Einer der Gründe für die nach oben gewanderte Vegetationsgrenze ist neben den heute höheren Temperaturen wahrscheinlich der Rückgang der Gipfelgletscher des Chimborazo: Humboldt stieß bereits bei 4.814 Metern auf die Eiskappe des Berges. Morueta-Holme und ihre Kollegen mussten dagegen bis auf 5.270 Meter aufsteigen, um zum Gletscherrand vorzustoßen. „Dieser Gletscherrückgang von gut 400 Metern passt zu dem weltweit mit dem Klimawandel verknüpften Trend“, so die Forscher.

Höhenstufen am Chimborazo, links von Humboldt dokumentiert, rechts der heutige Zustand. © Morueta-Holme et al.

Um 500 Meter nach oben verschoben

Aber auch weiter unten hat sich die Verteilung der Pflanzen gegenüber Humboldts Kartierung deutlich verschoben: Durchschnittlich 500 Meter weiter nach oben sind die verschiedenen Pflanzenarten heute vorgerückt. Einige Gattungen und Arten wachsen heute sogar 700 Meter höher als noch vor 210 Jahren – dies ist deutlich mehr als erwartet, wie die Forscher berichten.

Denn seit Humboldts Expedition im Jahr 1802 haben sich die jährlichen Durchschnittstemperaturen in Ecuador um rund 1,72 Grad erhöht. Das aber würde nach bisherigen Modellen nur eine Verschiebung der Höhenstufen um 410 Meter erklären, so die Forscher. Sie vermuten, dass die mit dem Klimawandel verbundene zunehmende Trockenheit für einen Großteil des Rests verantwortlich ist.

Erstaunlich starker Effekt für die Tropen

„Dies zeigt, dass die Pflanzen selbst in den Tropen stark auf die globale Erwärmung reagieren“, sagen Morueta-Holme und ihre Kollegen. Bisher galt die Tropenvegetation als tendenziell am wenigsten vom Klimawandel betroffen. „Zudem unterstreichen unsere Ergebnisse, dass dramatische Verschiebungen selbst innerhalb relativ kurzer, zeitgenössischer Zeiträume stattfinden können“, warnen die Wissenschaftler.

Ihrer Ansicht nach ist das durchaus Grund zur Sorge. Denn bisher hätten die meisten Pflanzenarten zwar dieser Entwicklung Schritt gehalten. Aber das könnte sich schnell ändern, wenn die Erwärmung weiter so schnell voranschreitet. „Wir sollten künftig noch drastischere Veränderungen der Vegetation erwarten“, sagt Morueta-Holme. „Das stellt die Frage, wie viele der seltenen und spezialisierten Arten das überstehen werden – vor allem in den Tropen, wo die meisten von ihnen wachsen.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2015; doi: 10.1073/pnas.1509938112)

(Aarhus University, 15.09.2015 – NPO)

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