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Medizin

Hoffnung für Alzheimer Patienten?

Neues Medikament hemmt Beta-Amyloid-Produktion und ist gut verträglich

Ablagerungen aus Beta-Amyloid-Proteinen gelten einer Theorie nach als Ursache für den Tod von Gehirnzellen bei Alzheimer. © NIA/NOH

Wirkstoff mit Potenzial: Ein neu entwickeltes Präparat könnte sich als effektives Mittel für die Therapie von Alzheimer bewähren. In einer klinischen Studie reduzierte der Stoff bei Alzheimer-Patienten die Produktion jener Proteine, die sich bei den Betroffenen als schädliche Plaques ablagern. Besonders überraschend: Anders als vergleichbare Wirkstoffe hat das Medikament keine schweren Nebenwirkungen. Folgestudien müssen nun zeigen, ob das Präparat tatsächlich den geistigen Abbau bremsen kann.

Die Alzheimer-Demenz ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der es zu einer fortschreitenden Zerstörung von Gehirnzellen kommt. Als typisches Symptom finden sich im erkrankten Gehirn Ablagerungen verklumpter Proteine: Statt abgebaut zu werden, sammelt sich das Beta-Amyloid-Protein immer weiter an. Diese Plaques sind einer gängigen Hypothese zufolge der Grund, warum Zellen im Gehirn absterben und die Patienten dement werden.

Eine zentrale Rolle bei der Produktion von Beta-Amyloid spielt das Enzym BACE1. Es eignet sich deshalb als Angriffsstelle für potenzielle Alzheimer-Medikamente. Mediziner erforschen schon seit Längerem Mittel, die BACE1 im Gehirn blockieren und somit die unerwünschte Anhäufung des Proteins verhindern könnten. Das Problem: Bisher getestete Präparate zeichnen sich wegen ihrer hohen Toxizität durch schwere Nebenwirkungen aus – unter anderem führen sie zu Leberschäden oder gar einem Fortschreiten des geistigen Zerfalls.

Ein neues Präparat

Wissenschaftler um Matthew Kennedy von den Merck Research Laboratories in Kenilworth haben nun jedoch einen BACE1-Inhibitor entwickelt, der sich vielversprechend zeigt. Auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten untersuchten die Forscher zahlreiche chemische Stoffe auf ihre Eigenschaften und stießen dabei auf Isothiorea 1 – ein Molekül, das an BACE1 binden kann.

Dieses diente dem Team als Ausgangsstoff für die gezielte Entwicklung eines neuen Wirkstoffs: Verubecestat (Summenformel: C17H17F2N5O3S) zeigte in ersten Tests, dass es nicht nur das Enzym blockieren, sondern auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann und sich möglicherweise für die orale Gabe eignet.

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Gut verträglich – und wirksam

Es folgten Studien an Tieren und Menschen: Kennedy und seine Kollegen testeten die Sicherheit und Wirksamkeit ihres neuen Präparats zunächst an Ratten und Affen und anschließend im Rahmen einer Phase 1-Studie an 32 menschlichen Probanden, die entweder gesund waren oder an mildem bis mittelschwerem Alzheimer litten.

Die Ergebnisse: Obwohl die Versuchstiere bis zu 40-fach höhere Dosierungen erhielten als beim Menschen für vergleichbare Präparate üblich, blieben bei ihnen viele der gefürchteten Nebenwirkungen aus. Auch im Test am Menschen erwies sich Verubecestat insgesamt als gut verträglich. Doch nicht nur das: Es reduzierte wie erhofft auch die Menge der produzierten Beta-Amyloid-Proteine.

Der Effekt war deutlich: Schon nach einmaliger Gabe sank der Beta-Amyloid-Spiegel im Blut sowie im Nervenwasser der Testpersonen merklich. Je nach Dosis und Anzahl der Einnahmen konnte das Mittel die Konzentration der Proteine um 70 bis 90 Prozent reduzieren, wie die Wissenschaftler berichten.

Folgestudie soll Potenzial bestätigen

Die vielversprechenden Resultate ebnen nun den Weg für die Erprobung des potenziellen Arzneimittels im größeren Stil: Im Rahmen einer Phase 3-Studie wird Verubecestat nun über zwei Jahre lang an etwa 1.500 Probanden getestet, die unter ersten Frühsymptomen einer beginnenden Alzheimer-Demenz leiden. Dabei soll vor allem untersucht werden, ob das Medikament tatsächlich in der Lage ist, den geistigen Abbau zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen.

„Weil die Anreicherung der Plaques oft viele Jahre vor der Diagnose der Erkrankung beginnt, könnte das Medikament vor allem in frühen Erkrankungsstadien effektiv wirken“ schreiben Kennedy und seine Kollegen. „Die weiterführenden Tests werden bestätigen, ob Verubecestat das dringend gebrauchte Werkzeug für die Behandlung von Alzheimer ist“, schließen sie. Der neue Wirkstoff ist der erste oral verabreichte BACE1-Inibitor, der diese klinische Phase der Entwicklung erreicht hat. (Science Translational Medicine, 2016; doi: 10.1126/scitranslmed.aad9704)

(American Association for the Advancement of Science/ Science Translational Medicine, 03.11.2016 – DAL)

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