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Neurobiologie

Hörschwierigkeiten belasten Kurzzeitgedächtnis

Schlechte Akustik verbraucht für das Gedächtnis benötigte Ressourcen im Gehirn

Schlechte Akustik ist nicht nur ein Problem für die Ohren. Akustisch widrige Bedingungen im Gehirn verbrauchen die gleichen begrenzten Ressourcen, die wir für unser Kurzzeitgedächtnis benötigen. Für Menschen mit Hörstörungen, die Sprachsignale oft dauerhaft verzerrt oder mit störendem Rauschen wahrnehmen, könnte das bedeuten, dass sie unter permanenter kognitiver Doppelbelastung stehen. Das haben Forscher am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in einem Experiment herausgefunden.

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Jeder kennt das: Bei hohem Geräuschpegel, etwa auf einer lauten Party, ist es anstrengend, einer Unterhaltung zu folgen. Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe Auditive Kognition um Jonas Obleser haben nun eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen gefunden. Im Experiment spielten die Forscher Testpersonen Zahlen vor und baten sie, diese für kurze Zeit im Gedächtnis zu behalten. Sowohl die Länge der Zahlenfolgen als auch die Qualität des Sprachsignals wurde dabei variiert. Nach etwas über einer Sekunde wurden die Probanden gefragt, ob eine bestimmte Zahl vorgekommen war – eine relativ leichte Aufgabe, bei der die Teilnehmer auch unter den schwierigeren Bedingungen in über 90 Prozent der Fälle richtig lagen.

Alpha-Wellen als Anzeiger für Auslastung

Das eigentliche Interesse der Forscher galt den sogenannten Alpha-Wellen im Gehirn. Diese rhythmischen Schwingungen der Hirnaktivität gelten als Maß dafür, wie beschäftigt das Kurzzeitgedächtnis ist. Die Alpha-Wellen wurden während des Experiments mithilfe der Magnetenzephalografie gemessen. Wie erwartet waren sie umso stärker, je mehr Zahlen abgespeichert werden mussten. Überraschenderweise war die Alpha-Intensität jedoch ebenso abhängig davon, wie hoch oder niedrig das Sprachsignal aufgelöst war. Je schwieriger die Zahlen zu verstehen waren, desto mehr Alpha-Aktivität trat auf. Schlechte Akustik verbraucht demnach die gleichen kognitiven Ressourcen, wie das Speichern des sprachlichen Inhaltes selbst.

„In diesem Experiment war es noch nicht so, dass die Probanden an ihre Grenzen stießen“, sagt Obleser. „Aber das Kurzzeitgedächtnis hat ein natürliches Limit, und wenn zu anspruchsvollen Inhalten hinzukommt, dass die Worte selbst schwer zu verstehen sind, könnte das zu einer schnelleren Überlastung führen.“ Dann würden wir im Gespräch den Faden verlieren oder uns die letzte Ziffer der Telefonnummer nicht mehr merken.

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Die wachsende Gruppe von Menschen mit Hörschäden und Gehörlose mit sogenanntem Cochlea-Implantat könnte dies besonders treffen, da sie Sprache dauerhaft unter akustisch widrigen Bedingungen wahrnehmen. In weiteren Studien wollen die Forscher nun genauer untersuchen, wie sich die Belastungen auf Hirnebene auswirken.

(Max-Planck-Gesellschaft, 10.09.2012 – NPO)

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