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Genetik

„Höllenbewohner“ resistent durch kleineres Genom?

Genomsequenz eines extrem hitze- und säuretoleranten Archaebakteriums entschlüsselt

Wissenschaftler der Universitäten Göttingen und Hamburg haben die Genomsequenz eines Organismus entschlüsselt, der eine extreme Anpassung an saure Lebensbedingungen mit einem pH-Wert um 0 und gleichzeitig an hohe Temperaturen von um die 60 Grad Celsius aufweist und damit in „heißer Säure“ überleben kann. Dabei handelt es sich um ein Archaebakterium, das aus der Bodenprobe einer ausgetrockneten heißen Schwefelquelle in Japan isoliert wurde.

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Wie das Forscherteam des Mikrobiologen Prof. Dr. Wolfgang Liebl in Zusammenarbeit mit dem Göttinger Genomanalyselabor unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Gottschalk und dem Hamburger Wissenschaftler Prof. Dr. Garabed Antranikian herausgefunden hat, besteht die Erbinformation von Picrophilus torridus aus der Abfolge von 1,55 Millionen DNA-Codebuchstaben. Daraus konnten bereits erste Hinweise auf die molekularen Mechanismen herausgefiltert werden, die es dem Organismus erlauben, unter derartigen Extrembedingungen zu bestehen. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Online-Ausgabe des Fachjournals „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.

Überleben in der Hölle

Wie Prof. Liebl erläutert, bevorzugt Picrophilus torridus eine Umgebung, die für andere Organismen absolut tödlich ist. Zitronensaft mit einem pH-Wert 2-3 oder der Magensaft des Menschen mit einem pH-Wert 1-2 sind weitaus weniger sauer als das Lebensumfeld dieses säure- und hitzeliebenden Archaebakteriums. Es wächst damit am äußerten Rand des pH-Spektrums bekannter Lebensformen, so der Göttinger Forscher.

Die Mechanismen, die der Anpassung von Zellbestandteilen und Stoffwechsel an eine derart widrige Umgebung zugrunde liegen, sind nach Angaben von Prof. Liebl bislang großteils unbekannt. „Unter diesen Bedingungen sind viele Zellbestandteile ,normaler‘ Organismen, zum Beispiel deren Eiweiße und Lipidmembranen, nicht stabil“, sagt der Wissenschaftler, der die Abteilung Angewandte Mikrobiologie am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Georg-August-Universität leitet.

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Größere Toleranz durch kleineres Genom?

Die jüngsten Forschungsergebnisse erlauben nun erste Einblicke in die Anpassungsstrategien des Mikroorganismus. So scheint es vorteilhaft für Picrophilus torridus zu sein, ein kleines Genom mit hoher Informationsdichte zu besitzen, betont Prof. Liebl. „Der große pH-Unterschied zwischen der Umgebung und dem Zellinneren wird ausgiebig als treibende Kraft für den Transport von Stoffen über die Zellmembran ausgenutzt. Außerdem hat Picrophilus torridus offenbar im Laufe der Evolution zahlreiche Gene, die seinen extremen Lebensstil unterstützen, von anderen Mikroorganismen aufgenommen.“

Die Verfügbarkeit der Genomsequenz macht es den Göttinger Wissenschaftlern nun möglich, gezielt einzelne Gene und die darauf basierenden Proteine zu untersuchen. Die Erkenntnisse sind dabei nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für biotechnologische Anwendungen von großem Interesse. Biokatalysatoren, die bei einem sehr niedrigen pH-Wert arbeiten und zudem hoch stabil sind, könnten zum Beispiel als Protein- oder Polysaccharid-abbauende Enzyme in der Getränkeindustrie eingesetzt werden. Mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untersuchen die Wissenschaftler an der Universität Göttingen eine Reihe von Biokatalysatoren und Zellbestandteilen des Picrophilus torridus, um deren biotechnologisches Potential auszuloten.

(Georg-August-Universität Göttingen, 11.06.2004 – NPO)

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