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Biologie

Höhlenfisch ist blind und fast taub

Zwei unterirdisch lebende Fischarten haben gleich zwei Sinne rückgebildet

Der Höhlenfisch Typhlichthys subterraneus ist nicht nur blind, er ist auch taub für hohe Töne © Niemiller et al.

In den Tiefen der meisten Höhlen herrscht ständige Dunkelheit, viele Höhlentiere haben daher ihre Augen reduziert. Damit sie dennoch Beute finden und sich zurecht finden, müssten eigentlich ihre anderen Sinne umso schärfer sein. Doch jetzt haben Forscher erstmals einen Höhlenfisch entdeckt, der nicht nur blind ist, sondern auch noch fast taub. Diese auf den ersten Blick kontraproduktive Anpassung hat durchaus einen biologischen Sinn: Sie blendet den Lärm aus, der in den Höhlengewässern durch Wasserturbulenzen entsteht, wie die Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“ berichten.

„Tiere, die in ständiger Dunkelheit leben, stehen einzigartigen Herausforderungen gegenüber, denn sie müssen trotzdem Wege finden, um ihre Nahrung zu finden, Feinde zu vermeiden und ihre Partner zu erkennen“, erklären Matthew Niemiller von der Yale University in New Haven und seine Kollegen. Von Fischen in Seen und Flüssen wisse man, dass das Gehör viele dieser Aufgaben übernehme. Denn selbst leise Geräusche werden im Wasser über weite Entfernungen transportiert. Es wäre daher durchaus naheliegend, wenn Fische, die im Dauerdunkel leben, ein besonders feines Gehör entwickelt hätten. Ob das tatsächlich so ist und welche Rolle dieser Sinne für Höhlenfische spielt, wurde aber bisher noch nicht genauer untersucht. Deshalb haben die Forscher dies nun nachgeholt.

Gehörtest im Aquarium

Niemiller und seine Kollegen analysierten für ihre Studie drei eng miteinander verwandte Arten aus der Familie der Nordamerikanischen Blindfische (Amblyopsidae). Eine davon, Forbesichthys agassizii, lebt in oberirdischen Gewässern, die beiden anderen, Typhlichthys subterraneus und Amblyopsis spelaea sind Höhlenbewohner. Um das Gehör der drei Arten zu testen, setzten die Forscher alle Fische jeweils einzeln in ein Becken und spielten ihnen per Unterwasser-Lautsprecher eine Folge kurzer Töne in Frequenzen zwischen 0,1 und 2 Kilohertz vor. Jede Tonhöhe wurde dabei zunächst leise, dann in 5 Dezibel-Schritten immer lauter eingespielt.

Über Elektroden am Kopf der Fische konnten sie feststellen, ob diese Töne vom Gehirn der Fische registriert und damit wahrgenommen wurden. Zusätzlich untersuchten sie bei jeder Fischart, wie dicht in deren Innenohr die Haarzellen standen. Diese feinen Ausstülpungen werden durch den Schall bewegt und sind die Hauptsensoren des Gehörs.

Stocktaub für hohe Töne

Das Ergebnis: Alle drei Fische waren im tiefen Frequenzbereich von rund 100 Hertz am sensibelsten, in den höheren Lagen aber manifestierten sich klare Unterschiede. Während der oberirdisch lebende Forbesichthys noch leise, hohe Töne bis zu 2.000 Hertz wahrnahm, waren die beiden Höhlenarten für Töne oberhalb von rund 800 Hertz stocktaub, wie die Forscher berichten. Zudem hatten beide Höhlenarten deutlich geringere Haarzellendichten als ihr oberirdischer Verwandter. ‚“Unseres Wissens nach ist das das erste Mal, dass man eine solche Rückbildung des Gehörs bei einem Höhlentier nachgewiesen hat“, konstatieren Niemiller und seine Kollegen.

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Stellt sich die Frage, warum diese Höhlenfische einen im Dauerdunkel so wertvollen Sinn wie das Gehör reduziert haben. Offensichtlich muss es für sie ja einen Vorteil bedeuten, hohe Töne nicht mehr hören zu können. Um den biologischen Sinn dieser Anpassung zu klären, ermittelten die Forscher als nächstes die Geräuschkulisse im Lebensraum der beiden Höhlenfischarten. Mittels Mikrophonen nahmen sie auf, welche Tonfrequenzen in den unterirdischen Tümpeln und Wasserläufen vorkamen und in welcher Lautstärke.

Wie sich zeigte, erzeugen Turbulenzen im Wasser und die von der Decke fallenden Tropfen ein lautes Hintergrundgeräusch – vor allem in den Tonhöhen oberhalb von 800 Hertz. Tiefere Töne werden dagegen geschluckt und breiten sich kaum aus. „Das weckt die spannende Möglichkeit, dass die Höhlenfische ihr Gehör für hohe Frequenzen verloren haben, um sich so an ihre in diesem Bereich besonders laute Umgebung anzupassen“, konstatieren die Forscher. Auf welche Weise dies geschehen sei, müsse nun noch genauer untersucht werden. (Royal Society: Biology Letters, 2013; doi: 10.1098/rsbl.2013.0104)

(Biology Letters,, 27.03.2013 – NPO)

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