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Ökologie

Hitzeextreme gefährden Hummeln

Klimawandel trägt zu drastischem Rückgang von Bestäubern bei

Hummel
Pummeliger Blütenbesucher: Auch der Klimawandel trägt dazu bei, dass solche Anblicke immer seltener werden. © Jeremy Kerr

Besorgniserregender Schwund: Der Klimawandel hat in Europa und Nordamerika zu einem drastischen Rückgang von Hummeln geführt. Schuld an dem Schwinden der Bestäuber scheint dabei das häufigere Auftreten von Hitzewellen und Dürren zu sein, wie eine Studie nahelegt. Die Wetterextreme verdrängen die Insekten demnach vor allem aus südlichen Gefilden. Doch nach Norden ausweichen können sie nur bedingt.

Schon länger beobachten Experten einen drastischen Rückgang von Insekten – darunter viele wichtige Bestäuber wie Bienen. Als Ursache für das Schwinden dieser fleißigen Helfer gelten vor allem die intensive Landwirtschaft und die veränderte Landnutzung. Denn sie führen dazu, dass die Insekten weniger Rückzugsmöglichkeiten und Futter finden. Zudem leiden sie unter den auf Äckern und Feldern vielfach ausgebrachten Pestiziden.

Doch es gibt noch einen weiteren Faktor, der zum Insektensterben beitragen könnte. Fachleute vermuten, dass auch der Klimawandel eine Rolle spielt. Wie genau bestimmte Arten auf die veränderten klimatischen Bedingungen reagieren, beginnen Forscher jedoch gerade erst zu verstehen.

Hummel-Verbreitung im Blick

Peter Soroye von der University of Ottawa und seine Kollegen haben nun untersucht, welchen Einfluss die Erderwärmung speziell auf Hummeln hat. Für ihre Studie werteten sie einen großen Datensatz zur Verbreitung von 66 Hummelarten in Europa und Nordamerika aus. Dabei verglichen sie die beiden Zeiträume 1901 bis 1974 und 2000 bis 2014 und werteten zusätzlich lokale Wetterdaten aus diesen Jahren aus.

Das erschreckende Ergebnis: Vielerorts scheinen die Hummeln zu verschwinden. So ist die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, dass eine Region von Hummeln besiedelt ist, in Nordamerika um 46 Prozent und in Europa um 17 Prozent zurückgegangen. Besonders stark von diesem Rückgang betroffen sind demnach die Hummelpopulationen in südlichen Gefilden wie Spanien oder Mexiko.

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Durch Hitze und Dürre verdrängt

Das Entscheidende: Das Verschwinden der Insekten scheint dabei direkt mit dem häufigeren Auftreten von Wetterextremen wie Hitzewellen und Dürren zusammenzuhängen. Solche Extreme beeinflussten die Verbreitung der Hummeln mehr als der dauerhafte Anstieg der Durchschnittstemperatur, wie das Team berichtet.

Die Ergebnisse zeigten zwar auch, dass die Hummeln mitunter in nördlichere, kühlere Regionen ausweichen. Allerdings besiedeln sie deutlich weniger dieser Ausweichhabitate als sie im Süden an Lebensraum verloren haben. „Wir wissen schon länger, dass der Klimawandel für viele Tiere ein erhöhtes Aussterberisiko bedeutet“, konstatiert Soroye. „Bei den Hummeln liegt dies offenbar an heißeren und häufiger auftretenden Extremtemperaturen.“

Bald für immer verschwunden?

Nach Ansicht des Forschers entspricht die beobachtete Rate des Hummelschwindens dabei der eines Massenaussterbens. „Wenn der Rückgang in diesem Tempo weitergeht, könnten viele dieser Spezies innerhalb weniger Jahrzehnte für immer verschwunden sein“, warnt er.

Die Folgen wären gravierend: „Da Hummeln eine soziale Lebensweise haben und schon bei niedrigen Temperaturen aktiv sind, gelten sie als extrem effiziente Bestäuber und werden auch in der Landwirtschaft für Obst und Gemüse und in Gärtnereien als Bestäuber verwendet. Unter den Wildbienen sind sie die Artengruppe mit der höchsten Bestäubungs-Effizienz“, kommentiert der nicht an der Untersuchung beteiligte Axel Hochkirch von der Universität Trier.

Schnelles Handeln nötig

Dass der Hummelschwund auf unserem Kontinent weniger stark ist als in Nordamerika, erklärt sich der Biologe durch den zusätzlichen Druck durch die stärkere Intensivierung der Agrarwirtschaft: „Hierbei könnte die intensive Landwirtschaft in sehr großen Regionen der USA – zum Beispiel im sogenannten ‚corn belt‘ – eine Rolle spielen. In Europa sind häufiger noch kleine Ersatzhabitate in der Umgebung landwirtschaftlicher Flächen zu finden“, erklärt Hochkirch.

Trotzdem scheint klar, dass auch hierzulande etwas gegen das Hummelsterben getan werden muss: „Womöglich lassen sich die Folgen des Klimawandels abschwächen, indem wir den Insekten mehr Lebensräume mit Schutzmöglichkeiten vor der Hitze wie Bäumen bieten. Letztendlich müssen wir aber die Erderwärmung selbst angehen. Je schneller, desto besser“, betont Soroyes Kollege Jeremy Kerr.

Auch auf andere Tiere anwendbar

Die Wissenschaftler glauben, dass sich mit der von ihnen entwickelten Methode auch Rückschlüsse auf den Gefährdungsstatus anderer Arten ziehen lassen. So konnten sie anhand in der Vergangenheit beobachteter Temperaturtoleranzen einzelner Arten relativ genau vorhersagen, wo durch den Klimawandel Bedingungen entstanden sind, die die Hummeln nicht aushalten können.

„Mit unserem Ansatz konnten wir sowohl Veränderungen für einzelne Spezies als auch ganze Hummelgemeinschaften überraschend genau prognostizieren“, sagt Soroye. Eine ähnliche Methode ließe sich demnach für die Abschätzung des Aussterberisikos von Reptilien, Vögeln und Säugetieren nutzen. So könnten dann beispielsweise Gebiete identifiziert werden, in denen Naturschutzmaßnahmen nötig und sinnvoll sind. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aax8591)

Quelle: University of Ottawa

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