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Neurobiologie

Hirndoping funktioniert beim Schach

Gedopte Spieler gewinnen mehr Partien – benötigen aber mehr Zeit

Schach erfordert ein komplexes Zusammenspiel geistiger Leistungen, dennoch scheint Hirndoping dabei zu wirken. © pixabay

Überraschend wirksam: Hirndoping kann beim Schachspiel tatsächlich die Siegchancen erhöhen, wie eine Studie demonstriert. Entgegen bisherigen Annahmen fördern die Neuro-Enhancer Methylphenidat und Modafinil selbst in einem so komplexen und anspruchsvollen Spiel die geistigen Leistungen – verlängern allerdings die Bedenkzeit bei den Spielern. Künftig könnten daher häufigere Dopingkontrollen vor Schachturnieren nötig werden.

Sie sollen beim Lernen wachhalten, das Gedächtnis verbessern und die Konzentration stärken: Mittel wie Methylphenidat oder Modafinil werden heute längst nicht mehr nur von Kranken eingenommen, sondern gelten auch als probate Mittel für die Steigerung geistiger Leistungen – fürs Hirndoping. Wie viel dieses Neuro-Enhancement wirklich bringt, ist umstritten, zumindest in einigen Fällen scheint es aber Vorteile zu bringen.

Gedopt für die Forschung

Ob und wie das Hirndoping beim Schachspielen wirkt, haben nun Andreas Franke von der Universität Mainz und seine Kollegen in einer Studie untersucht. Das komplexe Spiel stellt hohe Anforderungen an die geistigen Leistungen, denn es erfordert Kreativität, Konzentration, strategisches Denken, Geduld und ein gutes Gedächtnis. Die Frage ist daher, ob Neuro-Enhancer die sensible Balance dieser Fähigkeiten fördern oder stören.

Für ihre Studie verabreichten die Forscher 39 Turnier-Schachspielern an vier Tagen entweder zweimal 200 Milligramm Modafinil, zweimal 20 Milligramm Methylphenidat (Ritalin), zweimal 200 Milligramm Koffein oder aber zwei Placebos. Weder Probanden noch Forscher wussten, wer welche Mittel bekam. Nach Einnahme der Mittel absolvierte jeder Schachspieler 20 15-minütige Spiele gegen ein Schachprogramm.

ADHS-Medikament Ritalin (Methylphenidat) © gemeinfrei

Mehr Siege

Das Ergebnis überraschte selbst die Wissenschaftler. Denn entgegen ihren Erwartungen kann ein Schachspieler unter bestimmten Umständen vom Hirndoping profitieren. Die Schachspieler, denen zuvor Methylphenidat oder Modafinil verabreicht wurde, benötigen in ihren Spielen zwar mehr Zeit zum Nachdenken über die richtigen Züge als mit Placebo. Dafür gewannen sie mehr Spiele innerhalb der 15-Minuten-Frist als ohne die Mittel.

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„Die Ergebnisse zeigen erstmals, dass auch hochkomplexe kognitive Fähigkeiten, wie sie beim Schachspiel nötig sind, durch Stimulantien verbessert werden können“, sagt Franke. „Offenbar sind die Probanden unter Stimulantien-Einfluss eher in der Lage, Entscheidungsprozesse vertieft zu reflektieren.“ Die längere Bedenkzeit kann aber auch zum Nachteil werden: Gedopte Schachspieler schafften es weniger gut, ihre Partien innerhalb des Zeitlimits zu entscheiden. Beim Blitzschach wäre das Neuro-Enhancement daher eher kontraproduktiv.

Dopingkontrollen im Schach?

Diese Ergebnisse haben für künftige Turniere, aber auch sportpolitisch eine weitreichende Bedeutung: „Wir haben damit erste Hinweise, dass Doping im Schachsport durch die Stimulantien Methylphenidat und Modafinil möglich ist“, sagt Klaus Lieb von der Universitätsmedizin Mainz. Er und seine Kollegen warnen jedoch vor den Folgen eines solchen Neuro-Enhancements und fordern, Schritte für mehr Doping-Kontrollen im professionellen Schachsport zu unternehmen.

Wichtig ist dies auch aus einem weiteren Grund: Der Weltschachverband Fide hat den Ehrgeiz, Schach olympisch zu machen und damit würden die Spieler ohnehin regelmäßigen Dopingkontrollen unterzogen. Die deutsche Sportförderung macht ebenfalls strenge Dopingvorschriften und Kontrollen zur Bedingung für finanzielle Zuwendungen. (European Neuropsychopharmacology, 2017; doi: 10.1016/j.euroneuro.2017.01.006)

(Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 27.01.2017 – NPO)

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