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Klima

Hilft Biolandbau beim Klimaschutz?

Regionale Umstellung auf Bioproduktion kann global zu mehr Emissionen führen

Landwirtschaft
Die Landwirtschaft trägt erheblich zum Klimawandel bei - was bringt eine Umstellung auf "Bio"? © James Brey/ iStock.com

Öko-Dilemma: Der Umstieg auf ökologische Landwirtschaft hilft zwar der Natur, wirkt sich aber nicht unbedingt positiv auf das Klima aus. Wie eine Studie am Beispiel von England und Wales zeigt, kann es im Gegenteil sogar zu einem vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen kommen. Schuld ist der erhöhte Flächenbedarf des Biolandbaus. So müssen bei einer Umstellung auf „Bio“ in diesen Ländern mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden. Trotz regionaler Einsparungen steigen die Emissionen dadurch insgesamt an, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.

Der Klimawandel wirkt sich schon heute spürbar auf die Landwirtschaft aus. Doch sie ist nicht nur Leidtragender, sondern auch ein entscheidender Treiber der globalen Erwärmung. So stammten nach Angaben des Umweltbundesamts im Jahr 2016 immerhin rund sieben Prozent aller insgesamt freigesetzten Treibhausgase in Deutschland aus der Agrarwirtschaft. Aus diesem Grund nimmt der Weltklimarat die Landwirte immer wieder ausdrücklich in die Pflicht: Es müsse darum gehen, auf nachhaltigere Verfahren umzusteigen.

Als eine mögliche Lösung gilt in diesem Zusammenhang die Umstellung auf „Bio“. Denn der Ökolandbau soll in Sachen Treibhausgasbilanz besser abschneiden als die konventionelle Landwirtschaft. Insbesondere der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger und den Import von Sojafutter spielt dabei eine große Rolle. Hinzu kommt, dass Bio-Ackerböden meist höhere Humusgehalte aufweisen und daher im Vergleich wesentlich mehr CO2 speichern können.

40 Prozent weniger Ertrag

Doch die Sache hat einen Haken: Biobauern produzieren weniger Lebensmittel pro Hektar Fläche. Für die gleiche Nahrungsmenge benötigen sie mehr Land als ihre konventionell arbeitenden Kollegen – und genau das könnte sich wiederum negativ auf die Klimabilanz auswirken. Was also bringt der Biolandbau wirklich für den Klimaschutz? Dieser Frage sind nun Forscher um Laurence Smith von der Cranfield University am Beispiel von England und Wales nachgegangen.

Für ihre Studie berechneten die Wissenschaftler, welche Folgen ein vollständiger Umstieg auf ökologische Landwirtschaft in diesen beiden Ländern hätte. Die Analysen ergaben: Tatsächlich würden die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum konventionellen Landbau um 20 Prozent beim Getreide- und Gemüseanbau und um vier Prozent bei der Nutztierhaltung sinken. Gleichzeitig gingen durch den Umstieg auf 100 Prozent „Bio“ aber auch die Erträge vieler landwirtschaftlicher Produkte zurück – und zwar deutlich. „Wir prognostizieren einen Rückgang der Nahrungsmittelproduktion um insgesamt 40 Prozent“, berichtet Smiths Kollege Adrian Williams.

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Mehr Importe aus dem Ausland

Geht man davon aus, dass sich das Ernährungsverhalten der Bevölkerung nicht wesentlich ändert, heißt das: Es müssen in diesem Szenario zusätzlich Nahrungsmittel aus anderen Ländern importiert werden. Konkret vergrößert sich die Fläche, die dann im Ausland als Ergänzung zur Nahrungsmittelproduktion in England und Wales benötigt wird, um den Faktor fünf.

Wie die Forscher ermittelten, entstünden dadurch viele zusätzliche Treibhausgas-Emissionen. Dies liegt nicht nur am weiteren Transport und an der im Ausland weiterhin betriebenen konventionellen Landwirtschaft. Auch die Umwidmung von wirksamen Kohlenstoffsenken wie Wald und Grünland in Ackerfläche wirkt sich negativ aus. In der Summe schadet die Umstellung dem Klima dadurch sogar. Denn die zusätzlichen Emissionen in anderen Staaten übersteigen die nationalen Einsparungen, wie die Auswertungen zeigten. Demnach könnte der Umstieg auf „Bio“ bis zu 1,7 Mal mehr Emissionen bedeuten.

„Ungewollte Konsequenzen“

„Zweifellos hat die Umstellung auf Ökolandbau regional gesehen viele Vorteile – etwa mehr gespeicherter Kohlenstoff im Ackerboden, eine geringere Belastung mit Pestiziden und eine verbesserte Artenvielfalt. Doch wir müssen diesen Effekten den damit verbundenen erhöhten Produktionsbedarf in anderen Ländern gegenüberstellen“, konstatiert Smiths Kollege Guy Kirk.

„Studien wie diese sind wichtig, weil sie zeigen, dass die Umstellung auf Ökolandbau durchaus ungewollte Konsequenzen haben kann und nicht zwangsläufig zu einer globalen Reduktion der Treibhausgas-Emissionen beiträgt“, kommentiert der nicht an der Untersuchung beteiligte Klaus Butterbach-Bahl vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Weniger Verschwendung als Lösung?

Ist die Biolandwirtschaft trotz all ihrer positiven Effekte also nicht zukunftsfähig? Nach Ansicht der Autoren gibt es durchaus Möglichkeiten, die Treibhausgas-Emissionen auch bei einer weitgehenden Umstellung auf Ökolandbau global zu reduzieren – zum Beispiel durch den Verzicht auf Fleisch. Wissenschaftler wie Adrian Müller von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich betonen zudem das Einsparpotenzial, das eine Reduzierung der Nahrungsmittelverschwendung hat. Denn wer weniger Lebensmittel wegwirft, muss auch weniger produzieren.

„Dies ist genau der Ansatz, der in anderen Studien verfolgt wird und der zeigt, dass eine Umstellung auf Bio in Kombination mit diesen und weiteren Strategien das Potenzial hat, die Ernährung sicherzustellen, und zwar bei weniger Landbedarf und weniger Treibhausgas-Emissionen als im entsprechenden Referenzszenario“, sagt Müller.

Potenzial im konventionellen Landbau

Allerdings: „Obwohl, ‚Food Waste‘ und die beim Biolandbau verringerte Nahrungsmittelproduktion sich theoretisch aufheben könnten, ist es etwas illusorisch anzunehmen, dass letztendlich keine Nahrungsmittel mehr weggeschmissen werden“, meint Butterbach-Bahl. Er hält es daher auch für wichtig, über klimafreundliche Strategien im Bereich der konventionellen Landwirtschaft nachzudenken.

„Treibhausgasminderungen in der Landwirtschaft können nicht nur durch Ökolandbau, sondern auch durch andere Maßnahmen wie zum Beispiel präzisere Düngung, bessere Humusbodenbewirtschaftung, angepasste Fütterung und so weiter erreicht werden. Die Potenziale hier sind beileibe nicht ausgeschöpft“, so sein Fazit. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-12622-7)

Quelle: Nature Press/ Cranfield University

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