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Biotechnologie

Herzklappen aus körpereigenen Stammzellen gezüchtet

Grundlagenforschung für die Behandlung angeborener Herzfehler

Dieses Herzklappengerüst wird mit fetalen Stammzellen besiedelt © Schweizerischer Nationalfonds

Kinder mit einem angeborenen Herzfehler sind nach der Geburt oft auf eine künstliche Herzklappe angewiesen – mit allen damit verbundenen Nachteilen. Jetzt ist es einem Team von Forschern gelungen, aus Stammzellen, die aus menschlichem Fruchtwasser gewonnen wurden, funktionsfähige, lebende Herzklappen zu züchten. Diese haben den Vorteil, nach der Implantation mit dem Körper mitwachsen zu können.

„Wir machen uns die Mittel der Natur zu eigen, um Kindern mit schweren Herzfehlern zu helfen“, sagt Simon P. Hoerstrup, Leiter der Forschung für Regenerative Medizin und Herz- und Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich. Sein Ziel ist es, in einigen Jahren lebende Herzklappen-Prothesen bereit zu stellen, die mit Hilfe des „Tissue Engineering“ – der Züchtung von Gewebe im Labor – aus körpereigenen Stammzellen gewonnen werden. Unterstützt wurden seine Arbeiten vom Nationalen Forschungsprogramm "Implantate und Transplantate" des Schweizerischen Nationalfonds.

Mitwachsen bisher nicht möglich

Etwa ein Prozent der Kinder wird mit einem Herzfehler geboren, zum Teil mit schweren Missbildungen der Herzklappe. Normale Herzklappen sind aus filigranen Schichten stabiler und elastischer Bindegewebefasern aufgebaut und sorgen dafür, dass das Blut in die richtige Richtung fliesst. Eine gestörte Herzklappenfunktion kann zu einer gefährlichen Belastung des Herzmuskels führen, die unbehandelt mit der Zeit tödlich sein kann.

Bisher werden fehlerhafte Herzklappen durch Prothesen ersetzt, die entweder aus Kunststoffen oder biologischem Material tierischen oder menschlichen Ursprungs hergestellt werden. Die Herzklappen aus biologischem Material haben jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer, während die Kunststoff-Prothesen mit einem erhöhten Risiko für lebensgefährliche Blutungen und Blutgerinnsel verbunden sind. Das größte Problem für Kinder mit angeborenen Herzklappenfehlern ist, dass die heute erhältlichen Prothesen nicht mit dem Herz mitwachsen. Zum Teil sind deshalb mehrere Operationen notwendig, mit einem zunehmenden Risiko für schwere Komplikationen.

Gewebezucht aus Fruchtwasserzellen

Diese Kinder brauchen deshalb Prothesen, die mitwachsen können, den hohen Belastungen im Blutkreislauf standhalten und vom Körper gut akzeptiert werden. Dazu eignet sich am besten lebendes, körpereigenes Gewebe. Das Zürcher Forschungsteam hat Herzklappen aus so genannten fetalen Vorläuferzellen des ungeborenen Kindes gezüchtet, die natürlicherweise im Fruchtwasser vorkommen. Diese sind gut vermehrbar, so dass wenige Milliliter der Gebärmutterflüssigkeit reichen, um die nötige Menge Zellen für die Herstellung einer kompletten Herzklappe zu gewinnen. Die Entnahme mit einer Spritze durch die Bauchdecke (Amniozentese) ist heute bereits Routine bei genetischen Untersuchungen des ungeborenen Kindes.

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In Versuchen, die sie im November 2006 am Kongress der American Heart Association in Chicago vorstellten, gewannen Hoerstrup und seine Mitarbeitenden aus menschlichem Fruchtwasser zwei Typen von Stammzellen, die dann in Schichten auf ein herzklappenförmiges Gerüst aufgetragen wurden. Das Gerüst bestand aus biologisch abbaubaren Materialien, wie sie unter anderem für chirurgisches Nahtmaterial verwendet werden.

Die Stammzellen wurden mit Hilfe von Wachstumsfaktoren und Nährstoffen zur Vermehrung und Ausbildung fertiger Zellschichten gebracht. Später wurden die heranwachsenden Herzklappen in einem kleinen, künstlichen Kreislaufsystem physiologischen Bedingungen ausgesetzt, wie sie im Körper des Fötus herrschen, damit sie an Kraft, Dicke und Funktionsfähigkeit gewannen. Das Grundgerüst baute sich innert weniger Wochen biologisch ab, so dass am Ende körpereigene, lebende Herzklappen zur Verfügung standen.

Erste Tests mit Blutgefäßen erfolgreich

Das Zürcher Team hat sich in den bisherigen Experimenten mit dem Ersatz der so genannten Pulmonalklappe beschäftigt, die zwischen dem Herzen und der zur Lunge führenden Arterie liegt. Es wird allerdings noch eine Weile dauern, bis solche Herzklappen einem menschlichen Baby eingepflanzt werden. Immerhin haben die bisherigen Untersuchungen – sie wurden statt mit Stammzellen noch mit vollständig differenzierten Körperzellen durchgeführt – bereits gezeigt, dass sich die gezüchteten Ersatzklappen in Zellstruktur, Aufbau und Dicke den natürlichen Vorbildern angleichen.

In einem weiteren Versuch erhielten 14 Schafe Blutgefäss-Stücke eingepflanzt, die nach den gleichen Prinzipien aus Schafzellen hergestellt worden waren. Diese passten sich dem normalen Herzgewebe an und wuchsen im Durchmesser innerhalb von zwei Jahren um 30 Prozent, was dem normalen Tierwachstum entspricht. Ein Teil der Schafe wird nun für mindestens zwei weitere Jahre beobachtet, um die Funktionsfähigkeit der Prothesen zu prüfen.

Mit der Präsentation ihrer Resultate in Chicago haben Hoerstrup und sein Team einiges Aufsehen erregt. Der Spezialist möchte aber keine falschen Erwartungen schüren: „Bis die Methode reif zur Anwendung ist, vergehen noch einige Jahre.“ Zuerst muss der Sprung vom Tiermodell zum Menschen geschafft, dann die komplexe Technik standardisiert werden. Das stärkste Argument zugunsten des Tissue Engineering liegt für Hoerstrup in der Nachhaltigkeit: Nach der Einpflanzung sollten keine weiteren Operationen und Medikamente mehr notwendig sein. Das verhindere Krankheits- und Todesfälle, erhöhe die Lebensqualität und sei kosteneffizient, sagt der Zürcher Forscher.

(Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, 21.02.2007 – NPO)

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