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Kognitionsforschung

Hemmt Musikhören die Kreativität?

Hintergrundmusik hilft offenbar doch nicht beim kreativen Arbeiten

Musikhören
Musikhören beim Arbeiten - gut für die Kreativität oder nicht? © PeopleImages/ iStock.com

Überraschendes Ergebnis: Musikhören beim Arbeiten steigert offenbar doch nicht die Kreativität – im Gegenteil. Wie Experimente zeigen, behindert musikalische Beschallung diese Eigenschaft sogar. Demnach lösten Probanden Kreativität erfordernde Wortfindungsaufgaben mit Hintergrundmusik weniger gut als in Stille oder mit Bibliotheksgeräuschen. Wahrscheinlich lenke die Musik zu sehr ab, so die Vermutung der Forscher.

Kreativität gilt als wichtige Eigenschaft – nicht nur, aber auch im beruflichen Kontext. „Kreative Denkprozesse bilden die Basis für Dinge wie innovatives Produktdesign, wissenschaftlichen Fortschritt und erfolgreiche Werbe- und Marketingstrategien“, schreiben Emma Threadgold von der University of Central Lancashire in Preston und ihre Kollegen.

Kein Wunder also, dass viele Menschen nach Wegen suchen, ihre Kreativität beim Arbeiten zu steigern: Manche gönnen ihrem Gehirn dafür den regelmäßigen Koffeinkick, andere stimulieren ihren Denkapparat mithilfe von Tagträumen – und wieder andere setzen auf die inspirierende Kraft der Musik. Doch hilft das auch?

Verbaler Kreativitätstest

Tatsächlich wird Hintergrundmusik nachgesagt, die Kreativität bei bestimmten Arbeitsprozessen zu steigern und einzelne Studien wollen einen solchen Effekt bereits nachgewiesen haben. „Unserer Ansicht nach gibt es jedoch noch keine ausreichenden empirischen Belege für diesen Nutzen“, konstatieren Threadgold und ihr Team. Aus diesem Grund haben die Forscher die Wirkung des Musikhörens nun genauer untersucht.

Für ihre Studie ließen sie 30 erwachsene Probanden im Alter zwischen 19 und 30 Jahren Aufgaben lösen, die die verbale Kreativität auf die Probe stellten. Dabei bekamen die Teilnehmer zum Beispiel drei Begriffe genannt und sollten dann ein Wort finden, das mit all diesen Wörtern zu einem gängigen Begriff kombiniert werden kann – „Schirm“, „Liege“ und „Blume“ hätten mit dem Wort „Sonne“ etwa zu „Sonnenschirm“, „Sonnenliege“ und „Sonnenblume“ werden können.

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Stille vs. Musik

Aufgaben wie diese bearbeiteten die Probanden in unterschiedlichen Umgebungen: Einmal war es komplett still, einmal waren leise Hintergrundgeräusche wie in einer Bibliothek zu hören und einmal lief Musik. Wie würde sich diese Beschallung auf die kreative Leistung auswirken? Das überraschende Ergebnis: „Wir haben starke Hinweise darauf gefunden, dass Musik die Leistung der Teilnehmer im Vergleich zur stillen Umgebung einschränkte“, berichtet Mitautor Neil McLatchie von der Lancaster University.

Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Musik lediglich instrumentell war oder textlichen Gesang enthielt, wie die Wissenschaftler herausfanden. Selbst den Probanden bekannte Stücke, die sie in eine gute Stimmung versetzten, wirkten sich erstaunlicherweise negativ auf die Kreativität aus. Im Gegensatz zu den Bibliotheksgeräuschen: In dieser Umgebung schnitten die Studienteilnehmer ähnlich gut ab wie unter stillen Bedingungen.

Störende Ablenkung

Wie aber lässt sich dieser Effekt erklären? Die Forscher vermuten, dass die musikalischen Reize das Arbeitsgedächtnis stören und uns ablenken. Während sich die weniger dominanten und eher gleichförmigen Bibliotheksgeräusche wahrscheinlich gut ausblenden lassen, verleitet uns der häufig von akustischen Wechseln geprägte Charakter der Musik demnach eher zum Hinhören. „Dabei ist es offenbar nicht nur semantischer Inhalt, sondern diese wechselhafte Eigenschaft der Musik, die den Denkprozess stört“, schreiben sie.

„Alles in allem stellen unsere Ergebnisse die gängige Annahme in Frage, dass Musik die Kreativität steigert. Im Gegenteil zeigen sie sogar einen störenden Effekt der Musik auf Problemlöse-Versuche auf“, schließt das Team. Künftige Untersuchungen müssen nun zeigen, ob der nun beobachtete Zusammenhang auch für das Bearbeiten anderer Aufgaben gilt, die kreative Lösungen erfordern. (Applied Cognitive Psychology, 2019; doi: 10.1002/acp.3532)

Quelle: Lancaster University

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